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ZIP-AKTUELL


Liest man pflichtgemäß die Seiten, auf denen der EuGH seine Urteile, aber auch die Schlussanträge der Generalanwälte Tag für Tag veröffentlicht, dann ist es mitunter so, dass schon Schlussanträge wesentliche Neuerungen mit einiger Emphase ankündigen – immer erwartend, dass der Gerichtshof diesen Ausführungen auch folgt, was er nur selten nicht tut. Einer dieser höchst bemerkenswerten Schlussanträge trägt jetzt das Datum des 16.2.2023 (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 16.2.2023 – C-520/21 – Bank M.); Verfasser ist Generalanwalt Anthony Collins. In dieser polnischen Sache geht es erneut um eine rechtsmissbräuchliche Umrechnungsklausel (Schweizer Franken vs. Zloty) in einem Hypothekardarlehensvertrag. Die globale Finanzkrise des Jahres 2008/2009 bewirkte, dass aus dem attraktiven Zins- und Umrechnungsangebot ein Horrorszenario für den Verbraucher wurde.

Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert es nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt. Das hat das BAG, Urt. v. 16.2.2023 – 8 AZR 450/21, entschieden.

Das BMJ hat am 16.2.2023 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie veröffentlicht.Das BMJ hat am 16.2.2023 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie veröffentlicht.Das BMJ hat am 16.2.2023 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie veröffentlicht.

In einer für die anwaltliche Schiedsgerichtspraxis sehr bedeutsamen Entscheidung hat der BGH, Beschluss vom 12.1.2023 – I ZB 33/22, eine Kehrtwende vollzogen und die Forderung nach einer Prozesskostensicherheit (§ 110 ZPO) im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von in- und ausländischen Schiedssprüchen nunmehr zugelassen. Der Sachverhalt ist kurz folgender: Der Antragsteller ist ein deutscher Unternehmer, der jahrzehntelang in der Russischen Föderation tätig war. Er kooperierte mit russischen Unternehmen; doch nach deren Ende kam es zum Streit: Der Antragssteller eröffnete ein Ad-hoc-Schiedsverfahren in Moskau und erreichte eine Verurteilung der Antragsgegner auf Schadensersatz von rund 50 Mio. €.

Die BaFin haftet Anlegern nicht auf Schadensersatz wegen unzureichender Aufsichtswahrnehmung, da die Aufgaben allein im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. Eine Verletzung der Bilanzkontrollpflichten im Rahmen des sog. Wirecard-Skandals ist auch nicht feststellbar. Das hat das OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.2.2023 – 1 U 173/22, entschieden und damit die landgerichtliche Klageabweisung bestätigt, wonach ein Anleger die BaFin nicht wegen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz für erlittene Kursverluste in Anspruch nehmen kann.

Es ist zulässig, wenn nationale Vorschriften – hier: das BDSG – strengere Anforderungen an die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten stellen, als es die DSGVO tut. Das hat der EuGH, Urt. v. 9.2.2023 – C-453/21 – X-FAB Dresden und C-560/21 – KISA, auf zwei Vorabentscheidungsersuchen des BAG (zu C-453/21: BAG v. 27.4.2021 – 9 AZR 383/19 (A), ZIP 2021, 1880 = EWiR 2021, 630 (Fuhlrott)) hin entschieden.

Der Gravenbrucher Kreis hat in einer Stellungnahme vom 13.2.2023 zum Entwurf einer Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte der nationalen Insolvenzrechte (COM (2022) 702 final) die gezielte Anpassung der europäischen Insolvenzrechte befürwortet und zugleich zukunftsweisende Investitionen in die Stärkung der deutschen Justizverwaltung gefordert.

In einem wohl über den Tag hinaus bedeutenden Urteil hat das EuG am 25.1.2023 (EuG v. 25.1.2023 – T-163/21) entschieden, dass ein Privater berechtigt ist, Zugang zu Dokumenten des Rates zu beanspruchen, welche als legislatorische Vorbereitung im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der RL 2013/34/EU (Bilanz-RL) von einer Arbeitsgruppe erstellt worden waren.

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endete das Arbeitsverhältnis hingegen vor der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, ZIP 2018, 2332 = EWiR 2018, 725 (Fuhlrott)) und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen. Das hat das BAG, Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 456/20, entschieden.

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, kann nach Maßgabe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Endete das Arbeitsverhältnis hingegen vor der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (EuGH v. 6.11.2018 – C-684/ 16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, ZIP 2018, 2332 = EWiR 2018, 725 (Fuhlrott)) und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen BAG-Rechtsprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils. Das hat das BAG, Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 244/20, entschieden

Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Als unzureichend sind dabei nicht nur solche Informationen anzusehen, die für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sind, sondern auch unrichtige Angaben. Das hat das LG Kiel, Urt. v. 4.11.2022 – 12 O 198/21, entschieden.

Am 18.1.2023 hat das BMJ den Entwurf für eine Änderung des Richtergesetzes vorgelegt. Ziel ist es, eine ausdrückliche Regelung vorzusehen, wonach die besondere Bedeutung der Verfassungstreue der ehrenamtlichen Richter hervorgehoben werden soll. Der Entwurf betont bereits am Anfang: „Die Pflicht zur Verfassungstreue ist eine Ausprägung der allgemeinen Treuepflicht, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich abgesichert ist. Sie gilt für Beamtinnen und Beamte, aber auch für Richterinnen und Richter. Dabei unterliegen nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue.“

Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ist unwirksam, wenn der Zusteller nicht zuvor versucht, die Postsendung mit dem Schriftstück persönlich zu übergeben. Dies gilt auch während der Covid-19-Pandemie. Das hat der BFH, Urt. v. 19.10.2022 – X R 14/ 21, entschieden.

Der BGH hat in seiner Entscheidung (BGH, Urt. v. 15.12.2022 – III ZR 192/21) Wegweisendes zu den verschiedenen Rechtsfragen ausgeführt, die sich bei überlangen Verfahren – verursacht durch die Richterbank – im Rahmen des Entschädigungsanspruchs ergeben, der nach § 198 GVG die dadurch entstandenen Nachteile des Betroffenen ausgleichen soll. In der Sache ging es dabei um Schadensersatzansprüche, welche Kapitalanleger gegen die Verantwortlichen der „Göttinger Gruppe“ führten. Wegen Betrugs, Kapitalanlagebetrugs und sittenwidriger Schädigung waren anfangs 4.000 Klage anhängig gemacht worden. Die Kläger machten jeweils geltend, ihre gesamte Einlage verloren zu haben. Die Masse dieser Prozesse wurde dann – Pilotverfahren waren auf die Schiene gesetzt worden – auf zwei Kammern des LG Göttingen aufgeteilt. Die hier interessierende Klage wurde im Dezember 2011 erhoben. In den Pilotverfahren wurden danach höchst umfangreiche Gutachten erstellt; Beweisbeschlüsse ergingen. Im Oktober 2017 und im Januar 2019 wurden Verzögerungsrügen in dem Ausgangsverfahren eingereicht.

In einer bislang nur als Pressemitteilung (Nr. 18/2023) vorliegenden Entscheidung hat der BGH (BGH, Urt. v. 26.1.2023 – I ZR 27/22) sich mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen ein Affiliate-Partner von Amazon als Plattformbetreiber nach § 8 Abs. 2 UWG für unlautere Handlungen des Partners einstehen muss. Nach dieser Norm geht es um die Haftung des Inhabers des Unternehmens für unlautere geschäftliche Handlungen des „Beauftragten“. Im Hintergrund steht hier folgender Sachverhalt: Die Beklagte zu 1) betrieb ein Amazon-Partnerprogramm. Bei diesem steht es Dritten (Affiliates) frei, auf der eigenen Webseite Links zu der Verkaufs-Plattform von Amazon für eigene Angebote zu setzen. Wird auf diesem Weg ein Kaufvertrag über die Plattform vermittelt, dann erhält der Affiliate dafür eine Provision. Die von dem Affiliate geschaltete Werbung hielt die Klägerin im Streitfall für irreführend. Sie nahm daher Amazon als die Betreiberin der Plattform nach § 8 Abs. 2 UWG auf Unterlassung in Anspruch.

Der BGH, Urt. v. 24.1.2023 – XI ZR 257/21, hat erneut über Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen ein Musterfeststellungsurteil des OLG Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden.

In einer kartellrechtlich höchst bedeutsamen Entscheidung hatte der EuGH, Urt. v. 19.1.2023 – C-680/20 – Unilever Italia Mkt. Operations, auf Vorlage des Consiglio di Stato über die unionsrechtlich gebotene Auslegung des Kartellverbots nach Art. 101 AEUV in einem Rechtsstreit zu urteilen, der zwischen Unilever und der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (AGCM) zur Entscheidung anstand. Der Vorwurf: Unilever habe seine beherrschende Stellung beim Vertrieb von Massenkonsumgütern, darunter auch von Speiseeis, missbraucht. Diese Produkte waren nicht für den Verkauf an Haushalte bestimmt, sondern wurden über im Rahmen einer Ausschließlichkeitsklausel gebundene Vertriebshändler in Bars, Cafés, Sportstätten etc. angeboten.

Am 20.1.2023 hat der Bundestag das Umsetzungsgesetz zur RL (EU) 2019/2121 (grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen) beschlossen. Seine wesentlichen Punkte sind, wie das BMJ wissen ließ, folgende:

Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten ist unwirksam, wenn der Zusteller nicht zuvor versucht, die Postsendung mit dem Schriftstück persönlich zu übergeben. Dies gilt auch während der Covid-19-Pandemie. Das hat der BFH, Urt. v. 19.10.2022 – X R 14/21, entschieden.

Berichtet ein Rechtsanwalt über einen erstrittenen gerichtlichen Erfolg auf seiner Homepage und wird diese Entscheidung später rechtskräftig aufgehoben, muss er diesen Bericht nicht nachträglich löschen. Auf Verlangen des Betroffenen wäre er jedoch verpflichtet, den Beitrag zu aktualisieren (Nachtragsanspruch). Das hat das OLG Frankfurt, Urt. v. 15.12.2022 – 16 U 255/21, entschieden.

Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. Das hat das BAG, Urt. v. 18.1.2023 – 5 AZR 108/22, entschieden.

Ein Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, sich in seiner Freizeit zu erkundigen, ob sein Dienstplan geändert worden ist. Er ist auch nicht verpflichtet, eine Mitteilung des Arbeitgebers – etwa per Telefon – entgegenzunehmen oder eine SMS zu lesen. Nimmt er eine Information über eine Dienstplanänderung nicht zur Kenntnis, geht ihm diese erst bei Dienstbeginn zu. Das hat das LAG Kiel, Urt. v. 27.9.2022 – 1 Sa 39 öD/22, entschieden.

Wie sich aus einem Eckpunktepapier des BMJ vom 12.1.2023 ablesen
lässt, strebt das BMJ an, an den OLG, aber auch an ausgewählten LG
die prozessuale Möglichkeit zu eröffnen, dort Wirtschaftsstreitigkeiten
anhängig zu machen, bei denen „Commercial Courts“ tätig werden.
Ihr Wesensmerkmal: Das gesamte Verfahren – einschließlich auch
des Urteils – kann und wird in englischer Sprache durchgeführt. Die
Besonderheit: Von einem Streitwert von einer Mio. € an haben die
Parteien – einvernehmlich – sogar die Möglichkeit, erstinstanzlich
eingerichtete Senate am OLG anzurufen. Die „Verbesserung“ gegenüber
dem Ist-Zustand soll des Weiteren darin bestehen, dass Wortprotokolle
gefertigt werden, was bei umfangreichen und tatsachenintensiven
Beweisaufnahmen allemal ein erheblicher Vorteil gegenüber
der bisherigen Praxis wäre.

Seit dem 1.1.2023 werden – lt. einer Pressemitteilung des EuGH vom
9.1.2023 – allen neuen, anonym geführten Verfahren, in denen sich
natürliche Personen gegenüberstehen (deren Namen seit dem
1.7.2018 aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten durch
Initialen ersetzt werden) oder in denen natürliche Personen juristischen
Personen gegenüberstehen, deren Namen nicht unterscheidungskräftig
sind, mit Hilfe eines IT-basierten Generators fiktive Namen
zugeordnet. Diese Vorgehensweise wurde eingeführt, um anonym
geführte Verfahren leichter zu identifizieren. So bleiben diese
Verfahren besser im Gedächtnis und können sowohl in der Rechtsprechung
als auch in anderen Zusammenhängen einfacher zitiert
werden.

Die EU-Kommission hat laut Pressemitteilung vom 9.1.2023 den Anwendungsbereich
ihres anonymen kartellrechtlichen Whistleblower-
Tools ausgeweitet. Auch Bürger können der Kommission nun dabei
helfen, fusionsbedingte Verstöße und Fälle von unrechtmäßigen
staatlichen Beihilfen aufzudecken. Damit können Einzelpersonen die
Kommission anonym auf alle Arten möglicher Verstöße gegen das
EU-Wettbewerbsrecht hinweisen. Seit seiner Einführung 2017 gehen
jährlich etwa 100 Meldungen über das Instrument ein.

In einer für die anwaltliche Rechtsberatung gegenüber Verbrauchern
wegweisenden Urteil hat sich der EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C-395/21 –
D.V. (Honoraires d’avocat – Principe du tarif horaire), mit der Frage
befasst, ob denn die Abrechnung der Dienstleistungen eines Anwalts
nach einem vereinbarten Stundensatz – es ging um mehrere nach
litauischem Recht abzuwickelnde Verfahren – den Anforderungen
des Transparenzgebots der Klausel-RL 93/13/EWG (Art. 4 Abs. 2, 5) genügt.
In den einzelnen Verträgen war ein Stundensatz von 100 € vereinbart.
Der Mandant leistete eine Anzahlung i.H.v. 5.600 €. Im Ergebnis
errechnete sich schließlich ein Gesamtbetrag von 12.900 €. Dem
vorlegenden Gericht geht es im Wesentlichen um zwei Fragen: Zum
einen um die Erfordernisse der Transparenz im Zusammenhang mit
der als Hauptleistung einzuordnenden Entgeltpflicht des Mandanten
(Art. 4 Abs. 2 der Klausel-RL). Zum anderen spielt (erneut) die Frage
eine Rolle, welche Folgen es hat, wenn die Missbräuchlichkeit der
Klausel gerichtlich festgestellt wird (Art. 6 und 7 der Klausel-RL).

In einer wichtigen Entscheidung hat das OLG Frankfurt, Urt. v. 6.12.2022 – 11 U 149/21 (Kart), sich zu der praktisch bedeutsamen Frage geäußert, ob denn die Verjährung des gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruchs (§ 426 Abs. 2 BGB) – vor dem gesetzlichen Forderungsübergang aufgrund der Befriedigung des Gläubigers – zwischen Kartellanten schon durch Erhebung einer Feststellungsklage gehemmt werden kann. Dies hat das OLG in einer umfangreichen Begründung im Ergebnis mit Recht verneint.

Der BGH, Urt. v. 22.11.2022 – VIII ZB 2/22, hatte erneut Gelegenheit (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/21, NJW 2021, 2201) zu den Fragen Stellung zu nehmen, welche Pflichten ein Rechtsanwalt im Blick auf die Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist bei Ablauf der für diese notierten Vorfrist zu erfüllen hat, um – Stichwort: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – vom Vorwurf des Verschuldens befreit zu sein.

Das überall bekannte, von Airbnb betriebene Vermittlungsportal ermöglicht es Vermietern, Kontakt zu potentiellen Mietern privater Unterkünfte aufzunehmen, und so zwischen den Parteien einen kurzfristigen Mietvertrag zustande kommen zu lassen. Die Zahlung für diese Miete wird vor Beginn des Mietverhältnisses eingezogen und an den Vermieter abgeführt. Nach der Rechtslage in Italien, auf die es in diesem Vorlageverfahren ankam, wurde auf diese Mieterträge eine Quellensteuer erhoben, welche den Vermieter verpflichtete, den steuerbaren Betrag an den italienischen Fiskus abzuführen. Nicht in Italien ansässige Vermieter – diese wurden im Rahmen von Internetkontakten über das Portal tätig – mussten zu diesem Zweck einen in Italien tätigen „Steuervertreter“ benennen.

Der BGH, Urt. v. 9.11.2022 – VIII ZR 272/20, hat bei der Rückabwicklung eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug, dem eine (trügerische) Motorsteuerungssoftware eingebaut worden war, einige wesentliche Grundsätze im Kontext der unendlichen Geschichte des „Diesel-Skandals“ aufgestellt, die sich aus den umfangreichen Leitsätzen ablesen lassen:

Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel im Insolvenzverfahren einlegt. Das hat der BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, entschieden.

In einem zwischen der flämischen Anwaltskammer (u.a.) gegen die flämische Regierung angestrengten Rechtsstreit hatte der EuGH, Urt. v. 8.12.2022 – C-694/20 – Orde van Vlaamse Balies, die Frage nach der Gültigkeit einer gesetzlichen Regelung zu beurteilen, welche sich auf die RL 2011/16/EU in der Fassung der RL 2018/822/EU bezog. In dieser ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Staaten und der Informationsaustausch geregelt, die sich auf die Besteuerung meldepflichtiger grenzüberschreitender Gestaltungen bezieht.

Die tariflichen Corona-Prämien im Bereich des regionalen Nahverkehrs sind für die Jahre 2020 und 2021 kein unpfändbares Arbeitseinkommen und können unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen gepfändet werden. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.2.2022 – 23 Sa 1254/21, entschieden.

Am 6.4.2022 hat das BMJ den RefE eines „Gesetzes zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens“ veröffentlicht. Ziel dieses Entwurfs ist es, das bisher in Papierform erscheinende Bundesgesetzblatt (2,5 kg Papier pro Jahr) mit Wirkung vom 1.1.2023 durch ein elektronisches Bundesgesetzblatt abzulösen.

Die einer Firma vorangestellten Sonderzeichen „//“ sind nicht zu ihrer Kennzeichnung geeignet. Das hat der BGH, Beschl. v. 25.1.2022 – II ZB 15/21, entschieden.

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 5.4.2022 angekündigt, die zahlreichen eingegangenen Kommentare in die Reform einfließen zu lassen. Die Kommission hatte am 25.1.2022 Vorschläge zur Änderung des DCGK veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. 43 Unternehmen, institutionelle Investoren, Verbände, Wissenschaftler, Anwaltskanzleien und weitere Einzelpersonen haben hierzu Stellung genommen.

Das BMJ hat am 9.3.2022 die Verordnung zum Schutz der geografischen Herkunftsangabe „Glashütte“ (Glashütteverordnung – GlashütteV) veröffentlicht. Damit wird die Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ für Uhren aus diesem geografischen Gebiet geschützt. Hierfür beschreibt die VO das Herkunftsgebiet und definiert den Begriff der Uhr und dessen Herstellung, soweit dies für die Verwendung dieser Herkunftsangabe erforderlich ist. Ziel ist es, widerrechtliche Anspielungen und Nachahmungen zu erschweren.

Gewinne, die aus der Veräußerung von Kryptowährungen erzielt werden, sind im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts einkommensteuerpflichtig. Das hat das FG Köln, Urt. v. 25.11.2021 – 14 K 1178/20, entschieden. Das Revisionsverfahren ist anhängig beim BFH unter dem Az. IX R 3/22.

Der tarifliche Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie NRW tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist. Das hat das BAG, Urt. v. 23.2.2022 – 10 AZR 99/21, entschieden.

Ende 2020 wurden auf EU-Ebene die VO (EU) 2020/1784 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und die VO (EU) 2020/1783 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen neu gefasst. Beide Verordnungen sind in weiten Teilen ab dem 1.7.2022 anzuwenden. Das BMJ hat am 19.1.2022 den Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen veröffentlicht, mit dem die Durchführungsvorschriften in der ZPO an die neuen Verordnungen angepasst werden sollen.

Maßgebend für die Höhe von Schmerzensgeld sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. In erster Linie sind die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt. Das hat der BGH, Urt. v. 15.2.2022 – VI ZR 937/20, entschieden.

Das BAG hat mit Beschluss vom 28.10.2021 (8 AZR 370/20 (A)) dem EuGH Fragen zur Vergütung von Überstunden bei Teilzeitbeschäftigung vorgelegt. Es möchte wissen, ob Teilzeitbeschäftigte durch tarifvertragliche Regelungen diskriminiert werden, die Überstundenzuschläge bei ihnen nur für die Arbeitsstunden vorsehen, die die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten. Die Fragen lauten u.a.:

Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ an private Kleinanleger führt nicht zu einem steuerpflichtigen Kapitalertrag. Das hat der BFH mit Urteil vom 1.7.2021 (VIII R 9/19) entschieden.

Die in der hessischen VO zur Bekämpfung des Corona-Virus angeordneten Beschränkungen für Einzelhandelsgeschäfte und Gaststätten begründen weder einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Räumlichkeiten, noch führen sie zur Unmöglichkeit der vom Vermieter oder Verpächter geschuldeten Leistung. Ob eine Anpassung des Vertrags wegen schwerwiegender Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Das hat das OLG Frankfurt/M. mit Urteilen vom 17.9.2021 (2 U 147/20 und 2 U 18/21) entschieden.

Das BMF hat am 24.9.2021 aufgrund des erhöhten Risikos von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bei Transaktionen mit Kryptowerten eine Verordnung über verstärkte Sorgfaltspflichten bei dem Transfer von Kryptowerten (Kryptowertetransferverordnung) erlassen, die Verordnung ist am 1.10.2021 in Kraft getreten (BGBl I, 4465).

Der Schadensersatzanspruch, der einem Kommanditisten einer gewerblich tätigen Fonds-KG wegen fehlerhafter Angaben im Beteiligungsprospekt zusteht, ist steuerpflichtig. Das hat der BFH mit Urteil vom 17.3.2021 (IV R 20/18) entschieden.

Verwertungsgesellschaften dürfen den Abschluss eines Vertrags über die Nutzung von Digitalisaten urheberrechtlich geschützter Werke im Internet davon abhängig machen, dass der Nutzer wirksame technische Maßnahmen gegen sog. „Framing“ (das Einbetten der auf dem Server eines Nutzers gespeicherten und auf seiner Internetseite eingestellten Inhalte auf der Internetseite eines Dritten) ergreift. Das hat der BGH mit Urteil vom 9.9.2021 (I ZR 113/18 - Deutsche Digitale Bibliothek II) entschieden. Der BGH hatte in diesem Verfahren mit Beschluss vom 25.4.2019 (dazu ZIP-aktuell Heft 19/2019, Nr. 127) eine Vorabentscheidung des EuGH (Urt. v. 9.3.2021 – Rs C-392/19 – VG Bild-Kunst, dazu ZIP-aktuell Heft 18/2021, Nr. 120) eingeholt.

Ein Vertragshändlern auferlegtes Belieferungsverbot, das auf die Kundengruppe der Unternehmen, die sich mit dem individuellen Umbau, der Umrüstung durch Austausch von Fahrzeugkomponenten und der Leistungssteigerung (Tuning) von Serienfahrzeugen einer bestimmten Marke (hier: Porsche) befassen, bezogen und beschränkt ist, stellt eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar. Das hat der BGH mit Urteil vom 6.7.2021 (KZR 35/20 - Porsche-Tuning II) entschieden.

Eine in Bedingungen von sog. Betriebsschließungsversicherungen enthaltene Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern zur Bestimmung des Versicherungsumfangs kann abschließend sein, so dass sich der Versicherer mit Recht auf eine fehlende Einstandspflicht bei behördlich angeordneten Schließungen von Betrieben zur Verhinderung des Coronavirus SARS-CoV-2 beruft, wenn COVID-19/SARS-CoV-2 in der Auflistung nicht enthalten ist. Das hat das OLG Köln mit Urteilen vom 7.9.2021 (9 U 14/21, 9 U 18/21) entschieden.

Ein Rechtsstreit kann in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt werden, wenn entscheidungserheblich ist, wie Unionsrecht auszulegen ist, und zu dieser Frage bereits ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH anhängig ist. Das hat das BAG mit Beschluss vom 28.7.2021 (10 AZR 397/20 (A)) entschieden.

Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin und benennt als Beendigungstermin ein konkretes Datum mit versehentlich zu lang gewählter Kündigungsfrist, kann die Auslegung nach dem Empfängerhorizont trotz des erkennbaren, schnellstmöglichen Beendigungswillens des Arbeitgebers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst zu dem genannten Datum ergeben. Das hat das LAG Hamm mit Urteil vom 16.6.2021 (10 Sa 122/21) entschieden.

Der BGH hat mit Beschluss vom 22.7.2021 (IX ZB 85/19) zum Anspruch des Insolvenzverwalters auf Mehrvergütung bei der freihändigen Verwertung von Immobilien Stellung genommen. Die Leitsätze lauten:

Es besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus. Das hat das ArbG Bonn mit Urteil vom 7.7.2021 (2 Ca 504/21) entschieden.

Die nur befristete Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung steht einem Anspruch auf betriebliche Invaliditätsversorgung nicht entgegen, wenn die Versorgungszusage vorsieht, dass „bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“ eine monatliche Invalidenrente gezahlt wird. Das hat das BAG mit Urteil vom 13.7.2021 (3 AZR 445/20) entschieden.

Nach § 34 Abs. 4 GewO ist der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts verboten. Dieses Verbot erfasst alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung wieder verschaffen kann, die über den Nutzungsersatz i.S.v. §§ 346, 347 BGB hinausgeht. Das hat das BVerwG mit Urteil vom 7.7.2021 (BVerwG 8 C 28.20) entschieden.

Das BAG hat mit Beschluss vom 22.6.2021 (1 ABR 28/20) entschieden, dass die DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. nicht tariffähig ist.

Das LG München I hat als zuständiges Gericht über Schadensersatzklagen von Aktionären der Wirecard AG mit Sitz in München zu entscheiden, auch wenn die Klagen nur gegen die Ernst & Young GmbH mit Sitz in Stuttgart gerichtet sind und nicht zugleich die Wirecard AG verklagt wird. Das hat das OLG Stuttgart mit Beschlüssen vom 28.6.2021 (12 AR 6/21 bis 12 AR 17/21) entschieden.

Der BGH hat mit Urteil vom 6.5.2021 (IX ZR 72/20) seine bisherige Rechtsprechung zur Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geändert.

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten. Das hat das BAG mit Urteil vom 24.6.2021 (5 AZR 505/20) entschieden.

Müssen Hotelzimmer, die vor Ausbruch der Corona-Pandemie gebucht worden sind, pandemiebedingt (im entschiedenen Fall aufgrund der Absage der Messe FiBo) storniert werden, kann dies eine hälftige Teilung der Buchungskosten rechtfertigen. Das hat das OLG Köln mit Urteil vom 14.5.2021 (1 U 9/21) entschieden.

Die BaFin verpflichtet Kreditinstitute dazu, Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungklauseln zu informieren. Hierzu hat sie am 21.6.2021 eine Allgemeinverfügung veröffentlicht.
Die betroffenen Institute müssten den Sparern auch erklären, ob diese durch die verwendeten Klauseln zu geringe Zinsen erhalten haben. In diesen Fällen müssten die Banken ihren Kunden entweder unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten, der die Rechtsprechung des BHG aus dem Jahr 2010 (ZIP 2010, 1023, dazu EWiR 2010, 559 (Rösler)) berücksichtigt.

 


Ein Schiedsgericht verstößt nicht gegen den verfahrensrechtlichen Ordre public, wenn es erst ca. ein Jahr nach der mündlichen Verhandlung den Schiedsspruch erlässt. Das hat das OLG Frankfurt/M. mit Beschluss vom 17.5.2021 (26 Sch 1/21) entschieden.

Die Beteiligung einer Richterin an einer gegen eine Prozesspartei (hier: VW AG) gerichteten Musterfeststellungsklage kann insbesondere dann, wenn darin der Vorwurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erhoben wird, die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Dies gilt auch, wenn ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Richterin am Ausgang des Rechtsstreits ausgeschlossen ist, weil die Richterin mit der Beklagten der Musterfeststellungsklage einen Vergleich abgeschlossen hat, und dieser Vergleich noch nicht lange Zeit zurückliegt. Das hat der BGH mit Beschluss vom 25.3.2021 (III ZB 57/20) entschieden.

Der Notar verstößt gegen seine Amtspflicht zur Vermeidung des Anscheins der Abhängigkeit oder Parteilichkeit, wenn er - jedenfalls: wiederholt - Beurkundungen in den Räumen einer Vertragspartei vornimmt, ohne dafür sachliche Gründe vorweisen zu können. Die Beurkundung in Räumen einer Gemeinde kann geeignet sein, den Anschein zu begründen, der Notar stehe in einem unangemessenen Näheverhältnis zu dieser Gemeinde und verletze auf diese Weise die notariellen Amtspflichten aus § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO. Das hat der BGH mit Beschluss vom 22.3.2021 (NotSt(Brfg) 4/20) entschieden.

Luxemburg hat mit der Verurteilung eines der beiden Whistleblower im „Luxleaks“-Prozess nicht gegen dessen Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen. Das hat der EGMR mit Urteil vom 11.5.2021 (Nr. 21884/18) in der Rs Halet v. Luxemburg entschieden. Mit der verhängten Geldstrafe von 1.000 € sei ein fairer Ausgleich zwischen den Rechten des Mannes und denen seines ehemaligen Arbeitgebers gefunden worden.

Der Kunde einer Partnervermittlungsagentur verliert sein Widerrufsrecht nicht dadurch, dass diese die geschuldete Anzahl von Partnervorschlägen zusammenstellt, ohne sie dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch wenn allein dies in den AGB als „Hauptleistung“ bestimmt ist; zudem ist der Wertersatzanspruch der Partnervermittlungsagentur nach dem Widerruf, von Ausnahmen abgesehen, zeitanteilig zu berechnen. Das hat der BGH mit Urteil vom 6.5.2021 (III ZR 169/20) entschieden.


Für die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung genügt es, wenn die Marktmacht ausgleichende Wirkung des Wettbewerbs durch eine Veränderung der markt- und unternehmensbezogenen Strukturen in noch höherem Maße eingeschränkt wird, als dies schon vor dem Zusammenschluss der Fall war. Die Anforderungen an die Verstärkungswirkung stehen dabei in einer Wechselbeziehung zu der Wettbewerbssituation auf dem betroffenen Markt, insbesondere dem Maß der bereits ohne die Verwirklichung des Zusammenschlussvorhabens eingetretenen Schwächung der Kontrolle bestehender Marktmacht durch den Wettbewerb. Das hat der BGH mit Beschluss vom 12.1.2021 (KVR 34/20 – CTS Eventim/Four Artists) entschieden.

Der Klageantrag eines ehemaligen Arbeitnehmers auf Überlassung einer Kopie der gesamten E-Mail-Kommunikation von ihm und über ihn gegen den früheren Arbeitgeber ist nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht. Das hat das BAG mit Urteil vom 27.4.2021 (2 AZR 342/20) entschieden.

Die Deutsche Umwelthilfe erhält Zugang zu Unterlagen im Zusammenhang mit Messungen des CO2-Ausstoßes bei Kfz, die die VW AG im November 2015 vertraulich an das Bundesverkehrsministerium übermittelt hat. Das hat das BVerwG mit Urteil vom 26.4.2021 (BVerwG 10 C 2.20) entschieden.

Die bloße Umleitung eines Fluges zu einem nahe gelegenen Flughafen begründet keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung. Das hat der EuGH mit Urteil vom 22.4.2021 in der Rs C-826/19 - Austrian Airlines entschieden. Es sei nicht erforderlich, dass der Ausweichflughafen am selben Ort, in derselben Stadt oder in derselben Region (in jeweils verwaltungsrechtlichem Sinn) wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen liegt, um davon ausgehen zu können, dass der Ausweichflughafen denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient. Es komme lediglich darauf an, dass der Ausweichflughafen in unmittelbarer Nähe des in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafens liegt.


Dass ein beurkundungsbedürftiges Grundstücksgeschäft unter der Bedingung des Zustandekommens oder des Fortbestands eines anderen Rechtsgeschäfts vorgenommen wird, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, dass die Rechtsgeschäfte nach dem Willen der Parteien eine Einheit bilden und daher beide beurkundungsbedürftig sind. Eine Geschäftseinheit liegt nur vor, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen. Ein notarieller Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, ein Grundstück an eine Gemeinde zu übereignen, ist daher nicht deshalb formunwirksam, weil er unter der (beurkundeten) aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit eines nicht beurkundeten Durchführungsvertrags i.S.v. § 12 Abs. 1 BauGB steht. Das hat der BGH mit Urteil vom 29.1.2021 (V ZR 139/19) entschieden.

Das Unionsrecht steht einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die ein mit einer Klage auf Schadensersatz wegen des Vorwurfs einer Diskriminierung befasstes Gericht daran hindert, diese Diskriminierung festzustellen, wenn der Beklagte sich zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes bereit erklärt, ohne das Vorliegen dieser Diskriminierung einzuräumen.

Ein Einzelhändler, dessen Ladenlokal aufgrund des Corona-Lockdown für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste, kann seine Mietzahlung nicht ohne Weiteres aussetzen oder reduzieren. Das hat das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 24.2.2021 (7 U 109/20) entschieden.

Bei einem Mietvertrag über einen unbeweglichen Gegenstand ist in der Insolvenz des Mieters die Mietforderung für den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, in dem Umfang Masseverbindlichkeit, der dem ab der Verfahrenseröffnung verbleibenden Teil des Monats entspricht. Das hat der BGH mit Beschluss vom 11.3.2021 (IX ZR 152/20) entschieden.

Eine Versorgungsregelung kann wirksam vorsehen, dass bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Dienstzeiten im Rahmen der Berechnung des Altersruhegelds die Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung lediglich anteilig berücksichtigt werden. Ebenso kann eine Versorgungsregelung vorsehen, dass eine Höchstgrenze eines Altersruhegelds bei in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern entsprechend dem Teilzeitgrad während des Arbeitsverhältnisses gekürzt wird. Diese Regelungen stellen keine unzulässige Diskriminierung wegen der Teilzeitarbeit i.S.v. § 4 Abs. 1 TzBfG dar.

Hat ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen, gilt die tägliche Mindestruhezeit für die Verträge zusammengenommen und nicht für jeden der Verträge für sich genommen. Das hat der EuGH mit Urteil vom 17.3.2021 in der Rs C-585/19 - Academia de Studii Economice din Bucureşti entschieden.

Eine im Zeitpunkt des Ausscheidens eines Kommanditisten noch offene Einlageverpflichtung ist grundsätzlich unabhängig von ihrer Fälligkeit eine rückständige Einlage i.S.v. § 167 Abs. 3 HGB. Das hat der BGH mit Urteil vom 23.2.2021 (II ZR 184/19) entschieden.

Ausländischen Rechtsanwälten kann die Verpflichtung auferlegt werden, sich von im Inland zugelassenen Kollegen unterstützen zu lassen. Das hat der EuGH mit Urteil vom 10.3.2021 in der Rs C-739/19 - An Bord Pleanála klargestellt.

Im Zeitraum von Kurzarbeit Null erwirbt der Arbeitnehmer keine Urlaubsansprüche gem. § 3 BUrlG. Der Jahresurlaub steht ihm dann nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null ist der Urlaubsanspruch um 1/12 zu kürzen. Das hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 12.3.2021 (6 Sa 824/20) entschieden.

Der BGH hat mit Beschluss vom 14.1.2021 (IX ZB 94/18) Ausführungen zur Berechnung und Höhe der Vergütung einer juristischen Person für die Tätigkeit als Mitglied eines Gläubigerausschusses gemacht.

Eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft stellt nur dann in vollem Umfang Arbeitszeit dar, wenn die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen seine Möglichkeit, während dieser Zeit seine Freizeit zu gestalten, ganz erheblich beeinträchtigen. Organisatorische Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit infolge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers für ihn mit sich bringen kann, sind unerheblich.

Der Kommanditist haftet in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG für Masseverbindlichkeiten, welche von der Insolvenzschuldnerin begründet worden sind. Die persönliche Haftung des Gesellschafters für Masseverbindlichkeiten scheidet grundsätzlich nicht bereits aus insolvenzrechtlichen Gründen aus.

Das BMF hat am 12.2.2021 eine Gesetzesinitiative für eine Deckelung überhöhter Abschlussprovisionen in der Restschuldversicherung im Wege einer „Formulierungshilfe“ veröffentlicht.

Die Berechnungsgrundlage für die Vergütung eines nur mit der Prüfung einer Insolvenzforderung beauftragten Sonderinsolvenzverwalters richtet sich nach der für die angemeldete Forderung zum Zeitpunkt der ersten Tätigkeit zu erwartenden Befriedigungsquote. Das hat der BGH mit Beschluss vom 14. 1. 2021 (IX ZB 27/18; Vorinstanz LG Münster ZIP 2018, 938) entschieden.

Einem Leasingnehmer, der als Verbraucher mit einem Unternehmer einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung (sog. Kilometerleasingvertrag) abgeschlossen hat, steht kein Recht zum Widerruf des Vertrags zu. Das hat der BGH mit Urteil vom 24. 2. 2021 (VIII ZR 36/20) entschieden.

Der BGH hat mit Beschluss vom 15. 12. 2020 (XI ZB 24/16) über die Rechtsbeschwerden der Musterkläger sowie der Musterbeklagten, der Deutsche Telekom AG, gegen den Musterentscheid des OLG Frankfurt/M. vom 30. 11. 2016