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BGH: Rückabwicklung eines Leasingvertrags („Diesel-Skandal“)

Der BGH, Urt. v. 9.11.2022 – VIII ZR 272/20, hat bei der Rückabwicklung eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug, dem eine (trügerische) Motorsteuerungssoftware eingebaut worden war, einige wesentliche Grundsätze im Kontext der unendlichen Geschichte des „Diesel-Skandals“ aufgestellt, die sich aus den umfangreichen Leitsätzen ablesen lassen:

„1. Zur Unzulässigkeit einer Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) des (aus abgetretenem Recht des Käufers/Leasinggebers vorgehenden) Leasingnehmers gegen den Verkäufer mit dem Ziel der Feststellung, dass sich der Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Leasinggeber aufgrund des vom Leasingnehmer erklärten Rücktritts in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe.

2. Gemäß § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB kann dem Käufer (bzw. dem aus abgetretenem Recht des Käufers/Leasinggebers vorgehenden Leasingnehmer) eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs eine Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag unzumutbar sein, wenn der Verkäufer erklärt hat, dass eine Softwarelösung zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung erst in mehreren Monaten zur Verfügung stehen werde (Bestätigung von Senatsbeschl. v. 22.2.2022 – VIII ZR 434/21, Rz. 15).

3. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. v. 14.7.2022 – C-145/20 – Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rz. 95 ff.), die auch bei der Auslegung und Anwendung des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zu berücksichtigen ist, kann eine derartige Abschalteinrichtung nicht als geringfügige Vertragswidrigkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 6 der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171, S. 12) und damit grundsätzlich nicht als eine unerhebliche Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB angesehen werden.

4. An das Vorliegen eines stillschweigenden Verzichts auf Rechte sind strenge Anforderungen zu stellen. Daher müssen für die Annahme eines stillschweigenden Verzichts des Verkäufers auf die im kaufmännischen Geschäftsverkehr geltende Rügeobliegenheit des Käufers gem. § 377 Abs. 2, 3 HGB bzw. auf die dem Verkäufer günstigen Rechtsfolgen einer nach der vorgenannten Vorschrift bereits eingetretenen Genehmigungswirkung eindeutige Anhaltspunkte vorliegen.“

Zugrunde lag ein klassischer Leasingvertrag über ein Fahrzeug, der im Blick auf die Mängelhaftung durch die typische „Abtretungskonstruktion“ geprägt war: Der Leasinggeber zeichnete sich von der mietvertraglichen Eigenhaftung frei und trat stattdessen dem Leasingnehmer alle Ansprüche ab, die ihm gegenüber dem Hersteller im Rahmen der Mängelhaftung zustanden. Dies schließt auch ein, dass der Leasingnehmer wegen eines (nicht behebbaren) Mangels berechtigt sein muss, gegenüber dem Hersteller den Rücktritt zu erklären, was dann – im Bereich des Leasingvertrags – dazu führt, dass diesem von vornherein die Geschäftsgrundlage fehlt. Die Besonderheit besteht hier allerdings darin, dass der anwaltliche Vertreter des Leasingnehmers nicht sogleich den Weg zur Leistungsklage beschritt, sondern Feststellungsklage erhob. Diese aber war trotz oder besser: wegen des zuvor erklärten Rücktritts und des so entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses nach § 256 ZPO unzulässig. Daran ändert – so der BGH (Rz. 32) – die Tatsache nichts, dass der Leasingnehmer nicht wusste, wie sich die Leasinggeberin zu diesem Begehren verhalten werde. Die Leistungsklage hat eben Vorrang.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage scheiterte jedoch – und das ist das eigentlich Besondere an diesem Urteil – an der über § 377 Abs. 3 HGB (Rz. 64) eingreifenden Genehmigung des Mangels (Steuerungssoftware). Denn wegen der ausgebliebenen Rüge bestand kein Mängelanspruch des Leasingnehmers nach § 437 Nr. 3 BGB (aus abgetretenem Recht). Maßgebend ist insoweit allerdings das Rechtsverhältnis des Kaufvertrags zwischen dem Hersteller und dem Leasinggeber (Rz. 60). Auch die weitreichenden Ausführungen des BGH, wie es denn möglicherweise um einen stillschweigenden Verzicht auf die in § 377 Abs. 1 HGB normierte Rügelast bestellt sein könnte, für den immerhin „eindeutige Anhaltspunkte“ vorliegen müssen (Rz. 70), sind dann im Ergebnis nur noch schmückendes Beiwerk in diesem Urteil. Nicht minder gilt dies für die (zutreffenden) Erwägungen des BGH, dass die (trügerische) Steuerungssoftware als ein erheblicher Mangel nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB einzuordnen ist, der das Recht auf Rücktritt ohne Fristsetzung stützt.

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.01.2023 11:39
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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