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BGH: Bestätigung seiner Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen

Der BGH, Urt. v. 24.1.2023 – XI ZR 257/21, hat erneut über Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen ein Musterfeststellungsurteil des OLG Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden.

Der XI. BGH-Senat hat seine – nach Erlass des hier angefochtenen Musterfeststellungsurteils des OLG – mit Urteil vom 6.10.2021 (BGH, Urt. v. 6.10.2021 – XI ZR 234/20, ZIP 2021, 2427 = EWiR 2021, 705 (Berger/ Nettekoven)) ergangene Rechtsprechung bestätigt. Dementsprechend hat er auf die Revision des Musterklägers das Musterfeststellungsurteil des OLG aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind.

Das OLG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen seien nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schlössen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus. Da das OLG – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, werde es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge sei es interessengerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes werde das OLG außerdem zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt.

Nach der vom BGH vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung sei bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten. Nur eine solche Auslegung gewährleiste, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziert, verstoße nicht gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, weil die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen hat.

Das OLG wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers betreffend den Referenzzinssatz zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz zu bestimmen haben. Dabei werde es zu bedenken haben, dass zur Verfahrensbeschleunigung gem. § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten dann verwertet werden kann, wenn es in einem anderen Gerichtsverfahren eingeholt worden ist.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2023 11:24
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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