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BAG: Beginn der Verjährungsfrist bei Urlaubsabgeltungsanspruch

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endete das Arbeitsverhältnis hingegen vor der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, ZIP 2018, 2332 = EWiR 2018, 725 (Fuhlrott)) und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen. Das hat das BAG, Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 456/20, entschieden.

Der 9. BAG-Senat hatte bereits am 20.12.2022 (BAG v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20, PM des BAG Nr. 48/22) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Habe der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, könne der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Das BAG hat nun festgestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch seinerseits der Verjährung unterliegt. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginne in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, ende mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen könne die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist.

Von dem Kläger habe vorliegend bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 19.10.2015 nicht erwartet werden können, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der Senat sei zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6.11.2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, sei der Kläger gehalten gewesen, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.

Demgegenüber sei der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung habe der Kläger erkennen müssen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist habe deshalb Ende des Jahres 2015 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2018 geendet. Der Kläger hatte die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.02.2023 10:00
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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