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§ 141 UmwG - Auslegungsfragen in Literatur und Praxis (Scholer, ZIP 2022, 2056)

Gem. § 141 UmwG kann eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, die noch nicht zwei Jahre im Register eingetragen ist, außer durch Ausgliederung zur Neugründung nicht gespalten werden. Tatbestand und Rechtsfolgen der Norm können trotz des vermeintlich eindeutigen Wortlauts insbesondere bei Gesellschaften, die durch einen umwandlungsrechtlichen Vorgang entstanden sind, in der registergerichtlichen Praxis zu Problemen führen, deren Behandlung bislang nicht obergerichtlich entschieden wurde. Auch innerhalb der Literatur ist umstritten, nach welchen Maßstäben solche Gesellschaften unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 141 UmwG zu subsummieren sind und welche Rechtsfolgen sich an mögliche Verstöße anknüpfen. Der Beitrag soll daher die vertretenen Ansichten kompakt zusammenfassen und einen Ausblick auf mögliche Lösungsansätze bieten, wobei ein besonderes Augenmerk auf die SE im Anwendungsbereich des § 141 UmwG gelegt werden soll.

I. Anwendungsbereich und Normzweck
II. Maßgeblicher Zeitpunkt

1. Zeitpunkt des Fristbeginns
2. Zeitpunkt des Fristablaufs
III. Rechtsfolgen und Rechtsschutz
1. Materiellrechtliche Rechtsfolgen
2. Verfahrensrechtliche Rechtsfolgen und Rechtsschutz
IV. Fazit


I. Anwendungsbereich und Normzweck

Nach dem Wortlaut des § 141 UmwG werden von dem Spaltungsverbot Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien erfasst, die noch nicht zwei Jahre im Handelsregister eingetragen sind. Über Art. 9 Abs. 1 lit. c) Nr. ii) der SE-VO findet die Norm auch auf die SE Anwendung.

§ 141 UmwG will durch sein absolutes Verbot der besonderen Gefährdung der Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft durch den Vorgang der Spaltung Rechnung tragen. Mit der Norm soll verhindert werden, dass eine Gesellschaft in der Nachgründungsphase wieder erlischt oder einen Großteil ihres Vermögens verliert. § 141 UmwG steht damit in direktem Zusammenhang mit § 52 AktG und stellt einen Umgehungsschutz der Nachgründungsvorschriften sicher. § 52 AktG wiederum dient dem Umgehungsschutz der Sachgründungsvorschriften und der Sicherung der realen Kapitalaufbringung und gewährleistet damit ebenfalls in erster Linie einen Aktionärs- und Gläubigerschutz. Gem. Art. 15 SE-VO gilt § 52 AktG auch für die SE.

II. Maßgeblicher Zeitpunkt

1. Zeitpunkt des Fristbeginns

Auf die Berechnung der Zweijahresfrist des § 141 UmwG finden die §§ 186 ff. BGB Anwendung. Die Bestimmung des Zeitpunkts des Fristbeginns gem. § 187 BGB bereitet jedoch sowohl in der Praxis als auch innerhalb der Literatur regelmäßig Schwierigkeiten.

Der Wortlaut des § 141 UmwG stellt für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ab. Insoweit erscheint die Bestimmung des Fristbeginns zunächst eindeutig. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch dann, wenn die übertragende Gesellschaft durch Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG entstanden ist. Wie sich mittelbar aus § 220 Abs. 3 Satz 2 UmwG ergibt, wonach die für die Nachgründungen in § 52 Abs. 1 AktG bestimmte Frist von zwei Jahren mit dem Wirksamwerden des Formwechsels beginnt, findet § 141 UmwG auch auf Fälle des Formwechsels mit der Maßgabe Anwendung, dass die Frist des § 141 UmwG mit dem Wirksamwerden des Formwechsels, d.h. mit dessen Eintragung im Handelsregister nach § 202 UmwG beginnt.

Ausgehend vom Wortlaut bedarf die Norm in solchen Fällen jedoch einer teleologischen Reduktion. Ist nämlich die an einer Spaltung als übertragender Rechtsträger beteiligte AG bzw. KGaA oder SE durch einen Formwechsel einer AG oder KGaA in diese Rechtsform entstanden, ist für den Fristbeginn im Rahmen des § 141 UmwG der Zeitpunkt der Ersteintragung der formwechselnden AG bzw. KGaA maßgeblich. Dies entspricht Sinn und Zweck des § 141 UmwG. Denn sofern es sich bei dem formwechselnden Rechtsträger um eine AG oder KGaA gehandelt hat, unterlag diese bereits vor dem Formwechsel den Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG. Der Aktionärs- und Gläubigerschutz wurde damit bereits hinreichend gewährleistet. Durch den Formwechsel entsteht keine „neue“ Gesellschaft, deren Gläubiger eines erneuten Schutzes durch Nachgründungsvorschriften bedürften. Vielmehr bleibt der ursprüngliche Rechtsträger im Rahmen des Rechtsformwechsels identitätswahrend erhalten. Er erhält lediglich ein neues Rechtskleid. Es wäre sinnwidrig, den identischen Rechtsträger, der lediglich eine andere Rechtsform angenommen hat, erneut den bereits von ihm eingehaltenen Nachgründungsvorschriften zu unterwerfen. Die Gläubiger wurden bereits durch die einmalige Einhaltung und den Ablauf der Frist der Nachgründungsvorschriften hinreichend geschützt. Eines über den durch § 52 Abs. 1 AktG gewährleisteten hinausgehenden Gläubigerschutzes, der unter Anwendung des § 141 UmwG auf insgesamt bis zu vier Jahre verlängert werden würde, bedarf es nicht. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Nachgründungsvorschriften bewusst dafür entschieden, dass der Ablauf von zwei Jahren dem Gläubigerschutz ausreichend Rechnung trägt. Hätte er einen darüber hinausgehenden bzw. längeren Schutz der identitätsgleichen Gesellschaft bezweckt, hätte er eine dynamischere Regelung gefasst und die Nachgründungsvorschriften nicht dem Ablauf einer konkreten Zeitspanne unterworfen. Dementsprechend sieht auch § 245 UmwG ausdrücklich vor, dass § 52 AktG in den dortigen Fällen keine Anwendung findet. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung zum Formwechsel einer AG in eine KGaA und umgekehrt, dass „die Nachgründungsvorschrift des § 52 AktG, die bereits für die Ausgangsrechtsform zu beachten war, nicht erneut angewendet werden muss“. Unter Beachtung von Sinn und Zweck muss Entsprechendes daher auch für 141 UmwG gelten. Es wäre nicht nur sinnwidrig und würde der Systematik des Gesetzes widersprechen, sondern es kann auch erkennbar nicht dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechen, wenn die Anwendbarkeit des § 52 AktG im Rahmen von § 245 UmwG aufgrund einer fehlenden Notwendigkeit der doppelten Anwendung der Nachgründungsvorschriften ausgeschlossen wird, ein entsprechender Ausschluss im Rahmen von § 141 UmwG trotz ebenfalls bereits erfolgter Einhaltung der Nachgründungsvorschriften hingegen nicht vorgenommen werden würde. Dies würde zu nicht nachvollziehbaren Wertungswidersprüchen führen. Insoweit wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber auch im Rahmen von § 141 UmwG eine entsprechende Klarstellung schaffen würde.

Sofern der übernehmende Rechtsträger bereits den Nachgründungsvorschriften des § 52 Akt unterlag, ist § 141 UmwG daher auch im Falle der Verschmelzung zur Aufnahme dergestalt anzuwenden, dass die Frist nicht mit der Eintragung der Verschmelzung, sondern bereits mit Eintragung der übernehmenden Gesellschaft im Handelsregister zu laufen beginnt. Denn durch die Verschmelzung zur Aufnahme entsteht ebenfalls kein neuer Rechtsträger, sondern es geht lediglich das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger über. Dies gilt auch für den Fall der SE-Gründung durch grenzüberschreitende Verschmelzung zur Aufnahme gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, 2 lit. a) SE-VO, sofern es sich bei der aufnehmenden Gesellschaft um eine deutsche Aktiengesellschaft handelte. Wie sich aus dem Wortlaut des Art. 37 Abs. 2 SE-VO eindeutig ergibt, „hat die Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine SE weder die Auflösung der Gesellschaft noch die Gründung einer neuen juristischen Person zur Folge.“ Daran ändert auch der Umstand nichts, dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.10.2022 11:35
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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