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OLG Nürnberg v. 29.3.2022, 14 U 3259/20

Zur Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrages

Nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 14.5.2019 (Az. XI ZR 345/18) beinhaltet die in einem Prämiensparvertrag enthaltene Vereinbarung einer Prämienstaffel mit kontinuierlich steigenden Prämien jedenfalls den konkludenten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Sparkasse bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe.

Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten am 31.10.2001 einen als „S-Prämiensparen flexibel“ bezeichneten Prämiensparvertrag abgeschlossen. Gem. Ziffer 5.2 des Vertrages sollen ergänzend die „derzeit geltenden Bedingungen“ der Beklagten für den Sparverkehr und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sein. Nr. 26 Abs. 1 S. 1 der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lautet:

„Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.“

Mit Schreiben vom 24.6.2019 kündigte die Beklagte den Vertrag unter Berufung auf die „grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren“ mit Wirkung zum 1.10.2019. Der Kläger wies die Kündigung als unvereinbar mit den vertraglichen Abreden der Parteien zurück.

Das LG wies die gegen die Kündigung gerichtete Klage mit  Teilurteil ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und stellte fest, dass der Sparvertrag zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.6.2019 beendet worden ist. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Zwar steht der Beklagten grundsätzlich ein ordentliches Kündigungsrecht zu, doch ist dieses vorliegend wirksam bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres abbedungen worden. Denn die Parteien haben das Kündigungsrecht durch die in Ziffer 3 des Prämiensparvertrages enthaltene Prämienstaffel konkludent bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres abbedungen; eine vorherige Vertragsbeendigung war der Beklagten daher nicht im Wege der ordentlichen Kündigung möglich.

Ob sich aus den Vertragsbedingungen der Beklagten für das „S-Prämiensparen flexibel“ ein konkludenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten gem. Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten ergibt, ist im Wege der Auslegung der Abreden über den Prämiensparvertrag zu ermitteln. Da der Prämiensparvertrag vorliegend auf einem für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsformular der Beklagten beruht, sind insoweit die für die Auslegung AGB geltenden Grundsätze anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung sind AGB nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind und der Wortlaut der Klausel vorrangig zu berücksichtigen ist.

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist die Abrede über die Prämienstaffel gem. Ziffer 3 des Prämiensparvertrages der Beklagten i.S. eines konkludenten Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten aus Nr. 26 ihrer AGB bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres zu verstehen. Nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 14.5.2019 (Az. XI ZR 345/18) beinhaltet die in einem Prämiensparvertrag enthaltene Vereinbarung einer Prämienstaffel mit kontinuierlich steigenden Prämien jedenfalls den konkludenten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Sparkasse bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe. Die Sparkasse darf bei einem derartigen Vertrag die von ihr selbst hervorgerufene Prämienerwartung des Verbrauchers, d.h. den durch die Prämienstaffel verursachten Sparanreiz, nicht dadurch frustrieren, dass sie den Vertrag vorzeitig unter Berufung auf Nr. 26 der ehem. AGB-Sparkassen aus „sachgerechtem Grund“ kündigt.

Allerdings ist gerichtsbekannt, dass das hier verwendete Vertragsformular bundesweit im Sparkassenverbund zum Einsatz gekommen ist und zahlreiche vergleichbare Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung dieser Prämiensparverträge in den Bezirken mehrerer Oberlandesgerichte rechtshängig sind. Darüber hinaus weicht der Senat von auch von Obergerichten geäußerten gegenteiligen Ansichten ab.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.04.2022 16:08
Quelle: Bayern.Recht

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