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Aktuell in der ZIP

Verjährung von Zinsansprüchen aus langfristigen Sparverträgen (Omlor, ZIP 2021, 817)

Bei langfristigen Sparprodukten mit variablen Zinssätzen schlägt sich die Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln besonders weitreichend in Rechtsunsicherheiten und Rückabwicklungsschwierigkeiten nieder. Ein aktuelles Beispiel bildet das „Sparkassen-Prämiensparen Flexibel“, das vor allem um die Jahrtausendwende vertrieben wurde und derzeit Gegenstand von Musterfeststellungsverfahren (anhängig unter XI ZR 234/20) sowie einer BaFin-Intervention (dazu Herresthal, BKR 2021, 131 ff.; Buck-Heeb, BKR 2021, 141 ff.) ist. Ein Wandel in der BGH-Judikatur im Jahr 2009 (BGHZ 185, 166) zog in diesen Fällen eine lebhafte Diskussion um Zinsnachzahlungen nach sich (stellvertretend Herresthal, WM 2020, 1949 ff., 1997 ff.; Omlor, ZBB 2020, 355 ff., jeweils m. w. N.). Der vorliegende Beitrag wendet sich dem Teilkomplex der Verjährung von solchen Zinsansprüchen zu, die sich speziell auf nicht dem Sparkonto gutgeschriebene Zinsen beziehen.

I.  Verfahren der Zinsanpassung
1.  Anpassungsmechanismus der Zinsklauseln
1.1  Arten von Zinsklauseln
1.2  Besonderheiten bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten
2.  Chronologie bei einer ergänzende Vertragsauslegung
3.  Zwischenergebnis
II.  Zinsgutschrifts- und Zinszahlungsanspruch
1.  Wesen der Zinsschuld
2.  Zinsgutschriftsanspruch bis zur Kündigung
2.1  Inhalt
2.2  Entstehung
2.3  Erfüllung versus Pflichtverletzung
3.  Zinszahlungsanspruch ab Kündigung
4.  Einheitlicher Anspruch
4.1  Rechtstechnische Grundlage
4.2  Parallele zu Gesamtschuldnerinnenausgleich
5.  Zwischenergebnis
III.  Verjährung
1.  Grundlagen
1.1  Intertemporales Privatrecht
1.2  Auszahlung des Spar- und Zinsguthabens
2.  Besonderheiten bei ergänzender Vertragsauslegung
3.  Zinsgutschriftsanspruch
3.1  Abgrenzung zum Spar- und Zinsguthaben
3.2  Regelverjährung
3.3  Beginn
3.3.1  Subjektives Element
3.3.2  Objektives Element
3.3.2.1  Einheitlicher Anspruch
3.3.2.2  Parallele zu bereicherungsrechtlicher Rückzahlung
3.3.2.3  Parallele zu Forderungen außerhalb der Kontokorrentbindung
4.  Zwischenergebnis
IV.  Zusammenfassung


I.  Verfahren der Zinsanpassung

Eine verjährungsrechtliche Beurteilung setzt zunächst eine Konturierung und Einordnung der maßgeblichen Ansprüche des Sparers gegen das Kreditinstitut voraus.

1.  Anpassungsmechanismus der Zinsklauseln
Das BGB unterstellt das Privatrecht der Zinsschuld dem Prinzip der Zinsfreiheit. ) Als Spezialfall der Vertragsfreiheit und letztlich der Privatautonomie lässt es den Parteien eine weitreichende Ausgestaltungsfreiheit, die bis auf sektorielle Sonderregeln (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV) nur den allgemeinen Grenzen der §§ 138, 305 ff. BGB unterliegt. Von dieser Zinsfreiheit machen die Parteien in Form von Zinsklauseln Gebrauch.

1.1  Arten von Zinsklauseln
In der Vertragspraxis haben sich verschiedene Typen von Zinsklauseln herausgebildet.) Während sich Zinsbestimmungsklauseln auf eine einmalige Festlegung der Zinshöhe beschränken, weiten Zinsanpassungsklauseln den Blick auf die nachfolgende Laufzeit eines Vertrags. Die Parteien wollen in letzterem Fall aufwändige Nach- und Neuverhandlungen ebenso wie vorsorgliche Risikozuschläge vermeiden.) Zinsgleitklauseln bewirken eine automatische Anpassung der Zinssätze, ohne dass es einer Willensbekundung einer Partei oder eines Dritten bedürfte.) Knüpft die Zinsanpassungsklausel hingegen jede Modifikation der Zinshöhe an die konstitutive Erklärung einer Vertragspartei, fehlt der Automatismus der Zinsgleitklauseln; vielmehr liegt eine einseitige Zinsanpassungsklausel vor, die einer Partei ein Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Anpassung gewährt. Zumeist handelt es sich technisch um ein Leistungsbestimmungsrecht i. S. d. § 315 BGB,) das nach § 316 BGB im Zweifel dem Zinsgläubiger zusteht.

1.2  Besonderheiten bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten
Nicht selten wurden in der Kautelarpraxis bei langfristigen Sparprodukten Zinsanpassungsklauseln verwendet, die den Banken und Sparkassen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. d. § 315 BGB einräumten.) Etwa bei einer Formulierung in Anlehnung an die frühere Fassung von Nr. 17 Abs. 2 Satz 1 AGB-Sparkassen findet § 315 BGB in der Zinsanpassungsklausel ausdrückliche Erwähnung. Damit wird spiegelbildlich den Sparern ein Leistungsbestimmungsvornahmeanspruch eingeräumt.) Die Sparer verfügen insofern über das „materielle subjektive Recht auf regelnde Gestaltung“ ). Bei einer Unbilligkeit der Leistungsbestimmung kann der Sparer von seinem Recht auf richterliche Ersatzleistungsbestimmung Gebrauch machen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB). Der Anspruch des Sparers auf Zinsanpassung durch das Kreditinstitut bildet daher eine besondere Ausprägung des allgemeinen Leistungsbestimmungsvornahmeanspruchs. Nimmt das Kreditinstitut auf dieser Grundlage eine Zinsanpassung vor, entsteht sodann in der Folge ein Zinsgutschriftsanspruch des Sparers. Beide Ansprüchen haben unterschiedliche Inhalte: Vornahme einer Leistungsbestimmung nach § 315 BGB versus Gutschrift eines konkreten Geldbetrags auf einem Sparkonto. Dem Anspruch auf die Zinsgutschrift folgt der Anspruch aus der Zinsgutschrift nochmals chronologisch nach.

2.  Chronologie bei einer ergänzende Vertragsauslegung
Ist eine bestimmte Zinsanpassungsklausel aus AGB-rechtlichen Gründen (z. B. wegen Unbestimmtheit) unwirksam, greift zur Lückenfüllung eine ergänzende Vertragsauslegung ein. ) Dabei soll nach Ansicht des BGH ) kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Partei bestehen bleiben, sondern ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.04.2021 11:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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