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OLG Saarbrücken v. 8.3.2024 - 3 U 22/23

Mitarbeitender GmbH-Gesellschafter: Zu Verdienstausfallschaden und Schadensminderungspflicht

Das OLG Saarbrücken hat sich vorliegend mit der Frage eines Verdienstausfallschadens und der Schadensminderungspflicht eines mitarbeitenden GmbH-Gesellschafters befasst.

Der Sachverhalt:
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 4.5.2007 geltend. Die hundertprozentige Eintrittspflicht der Beklagten ist durch Anerkenntnisurteil des LG Saarbrücken festgestellt.

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt als mitarbeitender Geschäftsführer in einem Handwerksbetrieb für Heizung und Sanitär tätig, dessen Mitgesellschafter er ist. Bei dem Unfall erlitt er eine Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens und des linken Kleinfingers sowie Frakturen beider Unterschenkel, die eine Amputation des linken Unterschenkels und die Versorgung mit einer Prothese nach sich zogen. Nach dem Unfall arbeitete der Kläger in streitigem Umfang weiter in dem Betrieb mit. Seit Mitte des Jahres 2017 erhält er Rente wegen voller Erwerbsminderung seitens der DRV Saarland i.H.v. zunächst rd. 1.250 € (brutto), die sich ausweislich der Rentenbescheide in der Folge stetig erhöht hat.

Mit seiner Klage nahm der Kläger die Beklagte auf Ersatz von Verdienstausfallschaden sowie Haushaltsführungsschaden i.H.v. insgesamt rd. 216.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch. Ferner begehrte er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen aus der Unfallverletzung resultierenden materiellen Schaden wie Verdienstausfall nebst Steuern und Haushaltsführungsschaden zu ersetzen, soweit nicht ein Anspruchsübergang auf einen Sozialversicherungsträger erfolgt ist. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 150.000 €. Die Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg; das OLG sprach dem Kläger über den erstinstanzlich titulierten Betrag hinaus weiteren Verdienstausfallschaden sowie vorgerichtliche Anwaltskosten zu.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen über den erstinstanzlich titulierten Betrag hinaus weitere rd. 28.000 € Verdienstausfallschaden sowie rd. 1.700 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu.

Bei einer Körperverletzung erstreckt sich die Verpflichtung zum Schadensersatz gem. § 842 BGB, § 11 Satz 1 StVG auf die (Vermögens-)Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Die Ersatzpflicht greift ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist. Der Ausfall der Arbeitskraft als solcher ist kein Vermögensschaden. Dem in seiner Arbeitsfähigkeit Geschädigten entsteht ein ggf. zu ersetzender Vermögensschaden vielmehr erst dann, wenn sich der Ausfall oder die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit konkret und sichtbar ausgewirkt hat. Bei Arbeitnehmern besteht der Erwerbsschaden grundsätzlich in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und dem Einkommen, das sie ohne das Schadensereignis erzielt hätten. Auch ein - wie der Kläger - als Geschäftsführer tätiger oder sonst mitarbeitender Gesellschafter einer GmbH kann seiner Schadensberechnung den Verlust des (Geschäftsführer-)Gehalts zugrunde legen, sofern es sich dabei um echtes Arbeitsentgelt für zu leistende Tätigkeit handelt.

Das LG hat seiner Berechnung des Verdienstausfallschadens erkennbar die "modifizierte Nettolohnmethode" zugrunde gelegt. Für die Zeit bis einschließlich Februar 2021 hat das LG dem Kläger bei der Schadensberechnung im Ergebnis mit Recht ein erzielbares Einkommen auf Grundlage des Geschäftsführeranstellungsvertrags vom 1.1.2010 i.V.m. dem Nachtrag vom 29.11.2011 wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) angerechnet. Lediglich für die Zeit ab März 2021 wendet sich die Berufung mit Erfolg gegen die Anrechnung dieses Geschäftsführergehalts. Im Falle einer die Arbeitskraft beeinträchtigenden Gesundheitsverletzung obliegt es als Ausfluss der Schadensminderungspflicht dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, eine Anrechnung des früher erzielten Geschäftsführereinkommens müsse unterbleiben, da der Kläger seit dem Jahr 2017 zu 100 % arbeitsunfähig sei.

Erfolglos bleibt auch der Einwand der Berufung, das zuletzt erzielte Gehalt könne nicht angerechnet werden, da es ausschließlich für die handwerkliche Mitarbeit gezahlt worden sei. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag nicht, dass der Kläger eine körperliche Mitarbeit im Betrieb schuldete. Mit Recht ist das LG auch davon ausgegangen, dass dem Kläger eine Fortführung der Tätigkeit als nicht mitarbeitender Geschäftsführer zumutbar war. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind insbesondere Persönlichkeit, soziale Lage, bisheriger Lebenskreis, Begabung und Anlagen, Bildungsgang, Kenntnisse und Fähigkeiten, bisherige Erwerbsstellung, gesundheitliche Verhältnisse, Alter, seelische und körperliche Anpassungsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Art und Schwere der Unfallfolgen sowie Familie und Wohnort von Bedeutung. Gemessen daran war dem Kläger eine Weiterführung der bereits ausgeübten Geschäftsführertätigkeit zumutbar. Mit Recht hat das LG insoweit bereits aus dem Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrags hergeleitet, dass der Kläger selbst diese Tätigkeit für zumutbar erachtet hatte.

Im Ergebnis mit Recht hat das LG ferner angenommen, dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann aber nicht daraus hergeleitet werden, dass der Kläger nach seiner Abberufung keine Anstrengungen unternommen hat, eine neue Anstellung als Bürokraft zu finden. Ein solcher Verstoß liegt aber darin, dass er im Jahr 2017 an seiner Abberufung und der Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit mitgewirkt hat. Die Abberufung eines Geschäftsführers erfolgt durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG), die bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen auch das zur Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers allein befugte Organ einer GmbH ist. Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH unterliegt dabei nur bei der Beschlussfassung über seine Abberufung aus wichtigem Grund, nicht aber bei der Beschlussfassung über seine gewöhnliche Abberufung und die ordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrags einem Stimmverbot.

Da der Kläger trotz der Verschlechterung seiner unfallbedingten Verletzungen in der Geschäftsführertätigkeit nicht beeinträchtigt war und sonstige wichtige Gründe für eine Abberufung i.S.d. § 38 Abs. 2 GmbHG nicht ersichtlich sind, konnte ohne eine Mitwirkung des zu 50 % an der Gesellschaft beteiligten Klägers dessen Abberufung und die Beendigung des Anstellungsvertrags nicht erfolgen, da die erforderliche Mehrheit (§ 47 GmbHG) nicht erreicht werden konnte. Der Kläger durfte als Ausfluss seiner Schadensminderungspflicht daher nicht - wie hier geschehen - an seiner Abberufung mitwirken, zumal ein Bedürfnis für eine Fortsetzung seiner Tätigkeit bestand.

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Rechtsprechung (der Volltext dieser Entscheidung):
Urteil
OLG Saarbrücken vom 08.03.2024 - 3 U 22/23

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.04.2024 15:08
Quelle: Landesrecht Rheinland-Pfalz

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