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LG Darmstadt v. 18.3.2024 - 18 O 7/24

Streit unter Aufsichtsratsmitgliedern einer AG - Selbstwiderlegung der Dringlichkeit

Soweit die Beklagte darauf in Anspruch genommen wird, es zu unterlassen, als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft tätig zu werden, ist ein Gerichtsstand auch an dem Ort begründet, an dem sich die Beklagte als Vorsitzende des Aufsichtsrats geriert hat. Ein Antrag auf Terminsverlegung, der zu einer Verzögerung von drei Wochen führt, kann die Annahme einer fehlenden Dringlichkeit rechtfertigen.

Der Sachverhalt:
Der Verfügungskläger und die Verfügungsbeklagten waren Mitglieder des Aufsichtsrats der A-AG. Der Verfügungskläger war Vorsitzender. Bereits seit geraumer Zeit bestanden Differenzen zwischen den Parteien. Am 29.1.2024 fand eine Hauptversammlung der A-AG statt. Dort wurde die Abberufung des Verfügungsklägers als Mitglied des Aufsichtsrats beschlossen. Infolgedessen rief dieser das LG Frankfurt a.M. an. Dieses wies den im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes geltend gemachten Antrag, die A-AG zu verpflichten, die zum Handelsregister eingereichte Liste mit dem neu zusammengesetzten Aufsichtsrat zurückzunehmen und es ihr einstweilen zu untersagen, dem Verfügungskläger die Ausübung des Amtes als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats zu versagen oder ihn bei der Ausübung dieser Ämter zu behindern, mit Urteil vom 11.3.2024 zurück.

Der Verfügungskläger stellte erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Diesmal wollte er es den Verfügungsbeklagten untersagen lassen, bis zu rechtskräftigen Entscheidungen in der Hauptsache das Amt des Mitglieds und insbesondere das Amt der Vorsitzenden des Aufsichtsrates der A-AG auszuüben. Den Antrag stellte er beim LG Darmstadt. Die Verfügungsbeklagten hielten das Gericht für örtlich unzuständig.

Mit Verfügung vom 8.2.2024 hat die Kammer den Termin zur Verhandlung auf den 26.2.2024 bestimmt. Mit Schriftsatz vom 12.2.2024 hat der Verfügungskläger Verlegung auf einen Termin ab dem 4.3.2024 beantragt und auf einen Auslandsaufenthalt seinerseits sowie einen geplanten Urlaub des Prozessbevollmächtigten verwiesen. Die Kammer hat darauf hingewiesen, dass der nächste Termin, an dem unter Berücksichtigung des sonstigen Dezernatsanfalls terminiert werden könnte, der 18.3.2024 wäre. Der Verfügungskläger legte sich auf diesen Termin fest. Das LG wies daraufhin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Die Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zwar zulässig, denn das LG Darmstadt ist örtlich zuständig gewesen. In Fällen, in denen die Beklagte darauf in Anspruch genommen wird, es zu unterlassen, als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft tätig zu werden, ist ein Gerichtsstand auch an dem Ort begründet, an dem sich die Beklagte als Vorsitzende des Aufsichtsrats geriert hat.

Der Antrag war allerdings unbegründet. Ein Verfügungsgrund, bei dem es sich nicht um eine Prozessvoraussetzung, sondern um eine materielle Voraussetzung für die Begründetheit eines Klageantrags in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, lag jedenfalls nicht mehr vor. Schließlich ist es anerkannt, dass eine zunächst bestehende Eilbedürftigkeit durch ein prozessuales Verhalten des Verfügungsklägers entfallen kann, sog. „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit“. Vom Verfügungskläger verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung, wie etwa durch das Stellen von Terminverlegungsanträgen, lassen regelmäßig darauf schließen, dass „ihm die Sache nicht so eilig ist“, wobei bereits der Verlegungsantrag als solcher dringlichkeitsschädlich ist.

Somit konnte im vorliegenden Fall nicht (mehr) von einer Dringlichkeit ausgegangen werden. Durch das Verhalten des Verfügungsklägers und seines Prozessbevollmächtigten wurde dieses Verfahren um mind. drei Wochen verzögert. Die Gründe für eine Terminsverlegung waren nicht derart außergewöhnlich, um diese Verzögerung zu rechtfertigen. Der nicht persönlich geladene Verfügungskläger hielt sich in den USA bei seiner Ehefrau auf, die nach einer Augen-OP auf seine Unterstützung angewiesen gewesen sein soll. Es war insofern nicht ersichtlich, dass eine Unterstützung der Ehefrau nur durch den Verfügungskläger gewährleistet werden konnte. Hinzu kam, dass auch nicht ersichtlich war, warum eine Unterstützung voraussichtlich ab dem 4.3.2024 nicht mehr erforderlich sein würde. Was den Urlaub des Prozessbevollmächtigen betraf, so gilt grundsätzlich, dass ein Urlaubsfall kein die Dringlichkeit in einem Eilverfahren erhaltender Umstand ist.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | AktG
§ 136 Ausschluss des Stimmrechts
Spindler in K. Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 4./5. Aufl.
08/2023

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.04.2024 15:45
Quelle: LaReDa Hessen

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