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Aktuell in der ZIP

Die Wahl des Mediums zur Erteilung von Informationen etc. im neuen europäischen Verbraucherkreditrecht (Jungmann, ZIP 2024, 482)

Die Verbraucherkreditrichtlinie 2023 will einen rechtlichen Rahmen für Verbraucherkredite bieten, der im Vergleich zum bisherigen europäischen Verbraucherkreditrecht nochmals transparenter und effizienter ist. Dabei spielen die Vorschriften, nach denen Verbraucher bestimmte Informationen etc. erhalten müssen, eine zentrale Rolle. Die diesbezüglich in der Verbraucherkreditrichtlinie 2023 an vielen Stellen verwendete Formulierung, diese seien „auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger nach Wahl des Verbrauchers“ zu erteilen, gibt Anlass zur Untersuchung, welche Rechte Verbraucher und welche Rechte Kreditgeber haben, wenn es um die Wahl des dafür zu verwendenden Mediums (Papier, E‑Mails, digitale Briefkästen, File-Upload-Requests, USB-Sticks, portable Festplatten, SD-Cards, CD-ROMs/DVDs etc.) geht. Dabei wird sich zeigen, dass die Kreditwirtschaft sich auf schwindende Einflussmöglichkeiten und auf teilweise kostentreibende Neuerungen im Bereich des Verbraucherkreditgeschäfts einstellen muss.


I. Einleitung

II. Information auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger – Das Wahlrecht des Kreditgebers

1. Papier als dauerhafter Datenträger

2. Papier vs. andere dauerhafte Datenträger

2.1 Wortlaut

2.2 Gesetzgebungshistorie

2.3 Gesetzessystematik

3. Konsequenzen

III. Information auf einem anderen dauerhaften Datenträger – Das Wahlrecht des Verbrauchers

1. Unabdingbarer Grundsatz

2. Wahl der Form des Kreditvertrags (und etwaiger Änderungsverträge) sowie der Form seines Entwurfs als Ausnahmen

3. Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts

3.1 (Dauerhafte) Festlegung im Voraus

3.2 Ad hoc-Entscheidungen (für den Einzelfall)

3.3 Verbleibende Verhandlungsmacht/Einflussmöglichkeit der Kreditgeber

4. Reichweite des Wahlrechts

4.1 Kein Vorauswahlrecht des Kreditgebers

4.2 „Andere dauerhafte Datenträger“

4.3 Kritik und Rechtfertigung der Reichweite des Verbraucherwahlrechts

4.4 Fingerzeig für die Praxis

IV. Das „Bereitstellen“ von Informationen etc.

V. Zusammenfassung und Ausblick


I. Einleitung

Schon die (zweite) Verbraucherkreditrichtlinie von 2008 (im Folgenden: „Verbraucherkredit-RL 2008“) verlangt in vielen ihrer Bestimmungen über die Erteilung von Informationen, dass diese „auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger“ zu erfolgen hat. Das betrifft insbesondere die Mitteilung vorvertraglicher Informationen (Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 1 Verbraucherkredit-RL 2008), die Angaben bei Änderung des Sollzinssatzes (und ggf. der erhobenen Entgelte) (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 Verbraucherkredit-RL 2008) und die Mitteilung von (sonstigen) Informationen bei Überziehungsmöglichkeiten und Überschreitungen (Art. 12 Abs. 1 und Art. 18 Verbraucherkredit-RL 2008). Eine explizite Aussage darüber, wer die Entscheidung über das Informationsmedium im Einzelfall trifft, enthält die Verbraucherkredit-RL 2008 nicht.

Der Europäische Gerichtshof hat – wenngleich bezogen auf Art. 5 Abs. 1 der (inzwischen aufgehobenen) Fernabsatzrichtlinie von 1997 (im Folgenden: „Fernabsatz-RL“) – in Papier und anderen dauerhaften Datenträgern „zwei funktional gleichwertige Lösungen“ gesehen und ist von einer „Gleichwertigkeit solcher Datenträger“ ausgegangen. Schon vor diesem Hintergrund lässt sich das Informationsregime der Verbraucherkredit-RL 2008 nur dahin verstehen, dass Kreditgeber selbst das Medium zur Erteilung von Informationen bestimmen können, um sie treffende Pflichten zu erfüllen.

Bestätigt wird diese Sichtweise durch einen Vergleich mit anderen verbraucherschützenden Vorschriften des europäischen Rechts, welche die Erteilung bestimmter Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zulassen, dies aber vom Willen des Verbrauchers abhängig machen. So erlaubt beispielsweise Art. 7 Abs. 1 der Verbraucherrechterichtlinie von 2011 (im Folgenden: „Verbraucherrechte-RL 2011“) die Bereitstellung von Informationen auf einem anderen dauerhaften Datenträger nur, „sofern der Verbraucher dem zustimmt“. Ähnliches kommt, jedenfalls mittelbar, in der Zahlungsdiensterichtlinie von 2015 (im Folgenden: „Zahlungsdienste-RL 2015“) zum Ausdruck, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Zahlungsdienstleister und der Verbraucher (Zahlungsdienstnutzer) „Vereinbarungen“ über die Art und Weise der nachträglichen Information über ausgeführte Zahlungsvorgänge treffen können (vgl. Erwägungsgrund 57 Zahlungsdienste-RL 2015); Entsprechendes müsste nicht gesondert erwähnt werden, wenn das Wahlrecht nicht prinzipiell beim Vertragspartner des Verbrauchers liegen würde. Wenngleich insofern Verbraucherschutz nicht im Vordergrund steht, zeigt sich noch klarer im europäischen Versicherungsvertriebsrecht, dass prinzipiell der zur Erteilung von Informationen Verpflichtete derZIP 2024, 483Entscheidungsträger ist: Art. 23 der Versicherungsvertriebsrichtlinie von 2017 bestimmt in seinem Abs. 2, dass regelmäßig der Versicherungsvertreiber – sofern die Papierform nicht zwingend ist – die Wahl hat, Auskünfte etc. auf einem anderen dauerhaften Datenträger als Papier zu erteilen, und regelt in seinen folgenden Absätzen im Einzelnen, welche Einschränkungen diesbezüglich bestehen und wann es ausnahmsweise auf die Zustimmung des Kunden ankommt bzw. dieser sogar zur Wahl berechtigt ist.

Vom auch die Verbraucherkredit-RL 2008 prägenden Prinzip, dass der Kreditgeber stets das Medium zur Erteilung von Informationen etc. bestimmt, hat sich die (dritte) Verbraucherkreditrichtlinie von 2023 8 (im Folgenden: „Verbraucherkredit-RL 2023“) verabschiedet. In fast allen ihren Bestimmungen, in denen Informationen etc. erteilt werden müssen (vgl. im Einzelnen noch III.3.), ordnet sie an, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.03.2024 14:25
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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