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BGH, Urt. v. 9.1.2024 – II ZR 220/22

BGH: Ausschluss der Berufung auf fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen Tatsache im Handelsregister nur bei positiver Kenntnis

Die Berufung auf die fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen Tatsache ist dem Dritten gem. § 15 Abs. 1 HGB nur dann verwehrt, wenn er positive Kenntnis von der einzutragenden Tatsache hat; ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen demgegenüber nicht. Das hat der BGH, Urt. v. 9.1.2024 – II ZR 220/22 (Vorinstanz: KG, Urt. v. 8.9.2022 – 2 U 115/21, EWiR 2023, 394 [Pätzold/Oberstadt]), entschieden.

Dabei unterliege die tatrichterliche Beurteilung, ob eine Partei positive Kenntnis von einer eintragungspflichtigen Tatsache (im zugrunde liegenden Fall die Abberufung als Geschäftsführer) hat oder ihr nur der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis zu machen ist, der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist. Entscheidend sei, ob die erlangte Kenntnis der Umstände im Einzelfall geeignet ist, zwingend positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Eintragung zu vermitteln. Zweifel an der Wirksamkeit einer kundgemachten Abberufung, die eine Kenntnis von der wirksamen Abberufung ausschlössen, könnten schon daraus resultieren, dass sich der Geschäftsführer gerichtlich gegen seine Abberufung wehrt oder mitteilt, sich zur Wehr setzen zu wollen, gleichviel, ob er dies später tut oder unterlässt. Aber auch die Kenntnis des Dritten von zwischen den Gesellschaftern bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit der Abberufung, die typischerweise eine Beschlussmängelklage nach sich zögen, vermögen die Aussagekraft der erlangten Information über den Abberufungsbeschluss bereits entscheidend zu entwerten, so dass die erlangte Information nicht für sich genommen zur Annahme der Bösgläubigkeit des auf den fortwährenden Handelsregistereintrag Vertrauenden zwinge. Unschädlich sei ein Wissen von Umständen, die die Schlussfolgerung auf eine Tatsache zwar zulassen, aber wegen der Möglichkeit einer anderen gesellschaftsvertraglichen Gestaltung nicht gebieten.

Weiter hat der BGH festgestellt, dass die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht auch im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB gelten. Die Rechtsscheinregeln bewirkten, dass sich derjenige, der den Rechtsschein zurechenbar gesetzt hat, dem gutgläubigen Dritten gegenüber, der sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat, nicht auf die wahre Rechtslage berufen kann. Aus Rechtsscheingrundsätzen könnten indes keine weitergehenden Rechte hergeleitet werden, als sie bestünden, wenn der Rechtsschein zuträfe.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.03.2024 07:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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