Logo Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

BGH, Urt. v. 8.2.2024 – IX ZR 107/22

BGH: Deckungsanfechtung von Einfuhrumsatzsteuerzahlungen und Zollzahlungen

Die Sachhaftung an einfuhrabgabenpflichtiger Ware ist im Grundsatz eine kongruente Sicherung. Das hat der BGH, Urt. v. 8.2.2024 – IX ZR 107/22, entschieden.

Die Sachhaftung nach § 76 Abs. 1 AO sichere nur konnexe Forderungen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift würden von der Sachhaftung nur solche Forderungen erfasst, die auf den Waren ruhen. Gesichert würde jeweils nur die für die betroffene Ware entstandene Abgabenschuld. Die Sachhaftung könne vor der Abgabenschuld entstehen, sei im Übrigen aber akzessorisch. In dieser Ausgestaltung sei die gesetzlich angeordnete Sachhaftung für sich genommen anfechtungsrechtlich unverdächtig. Sie trete unabhängig von einer bevorstehenden Insolvenz ein. Der Gesetzgeber habe den Fiskus, der die Entstehung der Abgabenschuld an sich nicht verhindern könne und daher ein sog. Zwangsgläubiger sei, für schutzwürdig gehalten. Vor diesem Hintergrund unterliege das Entstehen der Sachhaftung nach § 76 Abs. 1 AO nicht der Anfechtung nach § 131 InsO.

Der BGH hat weiter bestätigt, dass der Leiter einer Behörde neben dem zuständigen Sachbearbeiter ein für die Wissenszurechnung geeigneter Kenntnisträger ist; ob der Behördenleiter an der angefochtenen Rechtshandlung beteiligt war oder nicht, sei ohne Bedeutung.

Der Rückschluss von einer medialen Berichterstattung auf die Kenntnis von einem bestimmten Gegenstand der Berichterstattung sei nur tragfähig, so der BGH des Weiteren, wenn die Berichterstattung derart umfassend und hervorgehoben erfolgt ist, dass sie dem Kenntnisträger nicht verborgen geblieben sein kann. Eine Verletzung der Beobachtungs- und Erkundigungsobliegenheit im Blick auf ein erkanntermaßen krisenbehaftetes Unternehmen führe nicht zur Annahme einer tatsächlich nicht vorhandenen Kenntnis (hier: von einem Insolvenzantrag).



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.03.2024 07:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite