Logo Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

Aktuell in der ZIP

Die Verjährung der Haftungsansprüche gegen Personengesellschafter (Piekenbrock, ZIP 2024, 425)

Das MoPeG knüpft die Sonderverjährung der Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter bei der Beendigung einer GbR (§ 739 BGB) und einer oHG (§ 151 HGB) nicht mehr an die Auflösung, sondern an das Erlöschen der Gesellschaft. Der Beitrag zeigt auf, dass der Anwendungsbereich der Regelungen dadurch wesentlich eingeschränkt worden ist. Das gilt auch im Fall der Insolvenz, in dem das bisherige Recht einhellig als sachgerecht angesehen wurde.

I. Einleitung
II. Entwicklung des Zeitregimes bei der akzessorischen Gesellschafterhaftung

1. Vom preußischen Landrecht bis zur Reform der Nachhaftung in Deutschland
a) Die Rechtsentwicklung im 19. Jahrhundert
aa) Der preußische HGB-Entwurf von 1857
bb) Das ADHGB von 1861
cc) Das schweizerische Obligationenrecht von 1881
b) Die Rechtsentwicklung im 20. Jahrhundert
aa) Die HGB-Reform in Deutschland
bb) Die Entwicklung in der Schweiz und in Österreich
2. Von der Reform der Nachhaftung in Deutschland bis heute
a) Die Reform der Nachhaftung in Deutschland
b) Die Schuldrechtsreform
c) Die Entwicklung in Österreich und der Schweiz
d) Das MoPeG
aa) Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter
bb) Sonderverjährung bei der Beendigung der Gesellschaft
III. Die Sonderverjährung nach § 739 BGB und § 151 HGB
1. Anwendungsbereich von § 739 Abs. 1, 2 BGB und § 151 Abs. 1, 2 HGB
a) Das Erlöschen der Gesellschaft als Synonym für die Vollbeendigung
b) Gesellschaftsliquidation
c) Gesellschaftsinsolvenzfall
aa) Regelinsolvenzverfahren
bb) Insolvenzplanverfahren
cc) Einstellung mangels Masse
dd) Einstellung bei Masseunzulänglichkeit
ee) Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
2. Bedeutung des Vorbehalts der kürzeren Verjährung
3. Bedeutung von § 739 Abs. 3 BGB und § 151 Abs. 3 HGB
4. Kritische Würdigung
a) Gesellschaftsinsolvenz
b) Gesellschaftsliquidation
IV. Übergangsrecht
V. Fazit


I. Einleitung

Das MoPeG hat für die rechtsfähige GbR (§ 705 Abs. 2 BGB) erstmals ausdrückliche gesetzliche Regelungen für die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter (§ 728b BGB) und für die Sonderverjährung der Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter bei der Beendigung der Gesellschaft geschaffen (§ 739 BGB). Während § 728b BGB und § 137 HGB bei der zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter im Vergleich zu § 160 HGB 1994 – ggf. i.V.m. § 736 Abs. 2 BGB 1994 – nur geringfügige Neuerungen aufweisen, hat der Gesetzgeber in § 739 BGB und § 151 HGB einen Paradigmenwechsel vollzogen. Dort hat er, wie von Karsten Schmidt schon vor Jahrzehnten gefordert, die Sonderverjährung nicht mehr, wie in § 159 Abs. 1, 2 HGB 1994, an die (Eintragung der) Auflösung, sondern an das Erlöschen der Gesellschaft bzw. der Firma angeknüpft. Diese Neuregelungen sollen im Folgenden für die GbR und die oHG kritisch gewürdigt werden. Auf andere Gesellschaftsformen wie die PartG und die EWIV, für die zum Teil auf das Recht der GbR oder der oHG verwiesen wird, wird hier dagegen nicht eingegangen. Auch die KG wird nur punktuell erwähnt. Als erstes wird die historische Entwicklung des Zeitregimes bei der akzessorischen Gesellschafterhaftung im deutschsprachigen Recht dargelegt (II). Im Folgenden werden die Auswirkungen des besagten Paradigmenwechsels erörtert (III). Kurz wird auch das Übergangsrecht dargelegt (IV). Der Beitrag schließt mit einem kurzen Fazit (V).

II. Entwicklung des Zeitregimes bei der akzessorischen Gesellschafterhaftung

1. Vom preußischen Landrecht bis zur Reform der Nachhaftung in Deutschland

a) Die Rechtsentwicklung im 19. Jahrhundert

Das Zeitregime bei der akzessorischen Gesellschafterhaftung reicht bis ins preußische und französische Recht zurück. In Altpreußen mussten die Gläubiger die Gesellschafter wegen Gesellschaftsverbindlichkeiten innerhalb eines Jahres ab der Bekanntgabe der Auflösung bzw. des Austritts oder, soweit später, ab der Fälligkeit der Forderung in Anspruch nehmen. Dagegen sah Art. 64 Code de commerce 1807 (u.a.) für die Rheinprovinz eine fünfjährige Frist vor, die jedoch nicht für die Liquidatoren galt.

aa) Der preußische HGB-Entwurf von 1857
Der für das ganze Staatsgebiet gedachte HGB-Entwurf von 1857 folgte grundsätzlich dem französischen Vorbild, erstreckte die Regelung aber ggf. auch auf die Liquidatoren. Außerdem wurde der bis heute bestehende Vorbehalt für kürzere Verjährungsfristen nach sonstigen Vorschriften aufgenommen, von denen es namentlich in Altpreußen seit 1838 viele gab. Während des Bestandes der werbenden Gesellschaft wurde der Anspruch gegen die oHG und ihre Gesellschafter (Art. 91 Abs. 2 PrHGB-E 1857) als Einheit angesehen, so dass sich die Frage einer gesonderten Verjährung nicht gestellt hat. Von dieser Prämisse konnte aber nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters oder der Auflösung der Gesellschaft nicht mehr ausgegangen werden. Vielmehr sollten Klagen gegen Gesellschafter einer oHG aus Ansprüchen gegen die Gesellschaft spätestens fünf Jahre nach der Eintragung der Auflösung der Gesellschaft bzw. des Ausscheidens des Gesellschafters oder, soweit später, ab der Fälligkeit der Forderung verjähren (Art. 139, 140 Abs. 1 PrHGB-E 1857). Für die Befriedigung aus dem ungeteilten Gesellschaftsvermögen war diese Sonderverjährung dagegen irrelevant (Art. 140 Abs. 2 PrHGB-E 1857), weil der Gesellschafter nur vor dem Zugriff auf sein Privatvermögen geschützt werden sollte. Auch diese Vorschrift verdeutlicht die Vorstellung vom einheitlichen Anspruch des Gläubigers. Unterbrechungshandlungen gegen die Gesellschaft oder einen anderen Gesellschafter sollten die Verjährung zugunsten des Gesellschafters jedoch nicht mehr beeinflussen (Art. 141 PrHGB-E 1857). Bei Auflösung der Gesellschaft durch Konkurs sollte die Sonderverjährung nicht anwendbar sein (Art. 143 PrHGB-E 1857).

bb) Das ADHGB von 1861
Art. 146 bis 149 ADHGB, die von fast allen Bundesstaaten einschließlich des ganzen Kaisertums Österreich und des ganzen Königreichs Preußen in Kraft gesetzt wurden und ab 1869 Teil der Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes bzw. ab 1871 des Deutschen Reiches waren, folgten weitgehend dem preußischen Entwurf. Die Hauptkontroverse betraf die Frage, ob die Sonderverjährung – wie in Teil III Art. 52 des HGB-Entwurfs von 1849 und § 96 des österreichischen Entwurfs vorgesehen – nur die gesamtschuldnerischen Haftungsansprüche erfassen sollte; dann wäre es im Übrigen bei den partikularrechtlichen Verjährungsregeln geblieben. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit, weil die gemeinrechtliche Verjährung allgemein als zu lang empfunden wurde. Vielmehr sollte der Gesellschafter „einmal eine Zeit kennen, nach deren Ablauf er sich von bekannten und unbekannten Forderungen aus den Geschäften seiner Mit-Gesellschafter frei wissen könne“.

Aus dem preußischen Entwurf nicht übernommen wurde die Sonderregelung zur Auflösung der Gesellschaft durch Konkurs. In Deutschland hat die Rechtsprechung jedoch aus Art. 129 Abs. 1, Art. 146 Abs. 2 ADHGB geschlossen, dass die Sonderverjährung im Konkursfall nicht einschlägig war, weil die Auflösung der Gesellschaft dann nicht kraft Reichsrechts in das Handelsregister einzutragen war; die landesrechtlich notwendige Eintragung der Konkurseröffnung sollte daran nichts ändern. In Österreich wurde Art. 146 ADHGB dagegen auch im Konkursfall angewendet. Anders als im preußischen Entwurf vorgesehen, musste der Gesellschafter einer aufgelösten Gesellschaft die Unterbrechung gegenüber den Liquidatoren gegen sich gelten lassen (Art. 148 Abs. 2 ADHGB).

cc) Das schweizerische Obligationenrecht von 1881
Bemerkenswert ist schließlich, dass die Verjährungsregelungen des ADHGB fast wortgleich auch in der Schweiz eingeführt wurden (Art. 585–589 OR 1881). Damit war die Verjährung der Haftungsansprüche gegen Personengesellschafter im deutschen Sprachraum zum Ende des 19. Jahrhunderts sehr ähnlich geregelt. Wie in Österreich wurden die Regelungen auch im Falle des Konkurses angewendet. Dass die Sonderverjährung auf Ansprüche der Gesellschafter untereinander (Art. 585 Abs. 2 OR 1881) und bei Übernahme des Geschäfts mit Aktiva und Passiva keine Anwendung fand (Art. 587 Abs. 2 OR 1881), war dagegen ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.03.2024 17:10
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite