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Die Missbrauchskontrolle von Vertragsklauseln nach Art. 13 Data Act (Jung, ZIP 2024, 1565)

Die EU-Datenverordnung (EU Data Act) regelt u.a. Datenverträge und sieht insofern für den unternehmerischen Bereich eine Missbrauchskontrolle von bestimmten Vertragsklauseln vor. Die Regelung steht dabei im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der schwächeren Partei einerseits und der Gewährung der Vertragsfreiheit andererseits. Dieser Beitrag reflektiert die neue Vorschrift kritisch und stellt zentrale Diskussionspunkte heraus. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Verhandlung als Anknüpfungspunkt für die Missbrauchskontrolle gelegt.


I. Einleitung

II. Verordnungscharakter

III. Anwendungsbereich

1. Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich

2. Sachlicher Anwendungsbereich

3. Vertragsklausel

4. Einseitig auferlegte Klausel

a) Einbringung durch eine Vertragspartei

b) Verhandlungsversuch

c) Fehlende Möglichkeit der Beeinflussung

d) Beweislast für das „einseitige Auferlegen“

5. Keine Prüfung beim Preis und der Hauptleistung

6. Zwingendes Recht

IV. Inhaltskontrolle – Prüfung der Missbräuchlichkeit

1. Zwingendes oder dispositives EU-Recht

2. Generalklausel

3. Klauselverbote gem. Art. 13 Abs. 4 DA

4. Klauselverbote gem. Art. 13 Abs. 5 DA

V. Rechtsfolge

VI. Ergebnisse


I. Einleitung

Am 13.12.2023 wurde auf europäischer Ebene die EU-Datenverordnung (Engl.: EU Data Act – im Folgenden kurz: DA) verabschiedet, die einen weiteren zentralen Baustein im europäischen Datenregulierungskonzept darstellt. Der Data Act regelt u.a. gesetzliche Zugangsansprüche auf Daten sowie insbesondere auch Datenverträge. Diese Vertragsbeziehungen stehen im Fokus dieses Beitrags. Die EU befürchtet mit Blick auf Datenverträge, dass Machtunterschiede zwischen den Verhandlungsparteien zu übermäßig nachteiligen Regelungen für die schwächere Seite führen können (vgl. Ewg. 58 DA). Der Verordnungsgeber sieht daher für den unternehmerischen Bereich (B2B) eine Missbrauchskontrolle (Inhaltskontrolle) von entsprechenden Vertragsklauseln vor (vgl. Art. 13 DA). „Unfaire“ Vertragsklauseln, die aufgrund der Verhandlungsschwäche einer Partei Eingang in den Vertrag gefunden haben, sind danach nicht bindend (Art. 13 Abs. 1 DA). Die Vorschrift schränkt damit die Vertragsfreiheit der Parteien ein. Gleichzeitig betont der EU-Gesetzgeber, dass er die Vertragsfreiheit grds. weitgehend schützen möchte3 und verdeutlicht somit das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der schwächeren Partei einerseits und der Gewährung der Vertragsfreiheit andererseits. Der vorliegende Beitrag untersucht zunächst, wie sich der Verordnungscharakter auf die Missbrauchskontrolle auswirkt (s. unter II). Dann wird der Anwendungsbereich der Missbrauchskontrolle erörtert (s. unter III). Dabei wird der Fokus auf die Verhandlung als Anknüpfungspunkt für die Missbrauchskontrolle gelegt (s. unter III 4), da sich diesbezüglich bedeutende Besonderheiten im Vergleich zur deutschen AGB-Inhaltskontrolle ergeben. Daran schließen sich Ausführungen zur Inhaltskontrolle (s. unter IV) und zu den Rechtsfolgen an (s. unter V). Ziel ist es, die neue Vorschrift kritisch zu reflektieren und zentrale Diskussionspunkte herauszustellen.

II. Verordnungscharakter

Die Missbrauchskontrolle des Art. 13 DA ist bereits aufgrund ihrer Einbettung in eine unionsrechtliche Verordnung diskussionswürdig. Denn bisher wurde die AGB-Inhaltskontrolle bei B2C-Verträgen durch die Klauselrichtlinie 93/13/EWG lediglich harmonisiert, wodurch die europäischen Vorgaben einer Umsetzung ins nationale Recht bedurften. Da die Klauselrichtlinie einen Mindeststandard setzt (vgl. Art. 8 Klauselrichtlinie), ließ sie den Mitgliedstaaten insofern Umsetzungsspielräume. Der deutsche Gesetzgeber hat davon auch Gebrauch gemacht und sich dazu entschieden, die Vorgaben nur durch minimalinvasive Eingriffe in die §§ 305 ff. BGB umzusetzen. Für den B2B-Bereich gibt es bislang keine vergleichbaren allgemeinen Harmonisierungsbemühungen.

Mit Blick auf Art. 13 DA ist die Situation hingegen anders zu bewerten. Denn (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.07.2024 16:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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