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EuGH, C 295/23: Schlussanträge des Generalanwalts vom 4.7.2024

Beteiligung an Rechtsanwaltsgesellschaft

Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona hat vorliegend seine Schlussanträge zu der Frage vorgelegt, ob es mit Unionsrecht vereinbar ist, dass nach der BRAO in der bis zum 31.7.2022 geltenden Fassung nur Rechtsanwälte oder Angehörige bestimmter anderer freier Berufe am Gesellschaftskapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligt sein durften.

Der Sachverhalt:
Die Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die in Deutschland in Form einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft betrieben wird. Ihr Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter war ursprünglich Herr Halmer. Im März 2021 übertrug dieser 51 der 100 Geschäftsanteile an eine österreichische GmbH, die weder in Deutschland noch in Österreich zur Rechtsberatung zugelassen ist. Gleichzeitig wurde die Satzung der Halmer UG geändert, um die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Gesellschaft, die Rechtsanwälten vorbehalten blieb, zu gewährleisten.

Die Rechtsanwaltskammer München widerrief daraufhin im November 2021 die Zulassung der Halmer UG zur Rechtsanwaltschaft mit der Begründung, dass nach der BRAO die Übertragung der Anteile an die österreichische GmbH nicht zulässig sei. Nach der BRAO in der bis zum 31.7.2022 geltenden und daher für diesen Fall maßgeblichen Fassung durften nur Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Ärzte oder Apotheker am Gesellschaftskapital einer Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligt sein. Die seitdem geltende Fassung sieht hingegen vor, dass sich Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgesellschaft mit Personen zusammenschließen können, die in der Gesellschaft einen freien Beruf ausüben, es sei denn, dass ein solcher Zusammenschluss mit dem Rechtsanwaltsberuf unvereinbar ist. Die Halmer UG hat den Widerruf ihrer Zulassung vor dem Bayerischen Anwaltsgerichtshof angefochten.

Der BayAGH hat das Verfahen ausgesetzt und den EuGH hinsichtlich der Vereinbarkeit der streitigen Regelung mit dem Unionsrecht um Vorabentscheidung ersucht.

Die Gründe:
Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Regelung des Rechtsanwaltsberufs, insbesondere in Bezug auf die Ausübung dieses Berufs in der Form von Kapitalgesellschaften, über einen weiten Spielraum. Aufgrund dieses Spielraums sind die Mitgliedstaaten, wenn sie die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs durch Kapitalgesellschaften gestatten, berechtigt, diese Gesellschaften bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen. Diese Beschränkungen müssen jedoch kohärent sein und mit den Gründen des Allgemeininteresses, die sie rechtfertigen, in Einklang stehen.

Den in der BRAO vorgesehenen Beschränkungen der Beteiligung an Rechtsanwaltsgesellschaften, auf die sich die Fragen des BayAGH beziehen, fehlt es an der Kohärenz, die unverzichtbar ist, um die Vorgaben der Richtlinie 2006/123 über Dienstleistungen im Binnenmarkt zu erfüllen, denn

  • sie schließen Angehörige anderer als der in der BRAO ausdrücklich aufgeführten Berufe von der Stellung als Gesellschafter aus, die die Kriterien erfüllen könnten, auf deren Grundlage die Beteiligung Angehöriger der aufgeführten Berufe gestattet wird;
  • sie verlangen allgemein und ohne nähere Konkretisierung, dass Rechtsanwälte und Angehörige anderer Berufe, die sich als Gesellschafter beteiligen dürfen, in der Gesellschaft beruflich tätig sind;
  • sie lassen zu, dass Personen, die keine Rechtsanwälte sind, einen Prozentsatz des Kapitals und der Stimmrechte halten, der ausreicht, um diesen Personen einen bedeutenden unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss, der die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte bei der Verteidigung ihrer Mandanten gefährden kann, auf die Bildung des Willens der Gesellschaft zu gewähren.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.07.2024 15:12
Quelle: EuGH online

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