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LG Detmold v. 5.5.2023 - 01 O 310/19

Steuerberaterhaftung hinsichtlich einer Ausgliederung des Vermögens eines Einzelunternehmens auf eine GmbH

Scheitert eine Buchwertübertragung daran, dass der Steuerberater einen Antrag nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG in Namen der GmbH nicht gestellt oder zu spät gestellt hat, haftet er für den dadurch entstandenen Schaden des Mandanten. Maßgeblich für die Berechnung des Schadens ist dabei nicht nur das persönliche Vermögen des Klägers, sondern auch das von den gleichen Ereignissen betroffene Vermögen der GmbH, deren einziger Gesellschafter der Mandant ist.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte war mit der steuerlichen Beratung hinsichtlich einer Ausgliederung des Vermögens des Einzelunternehmens des Klägers „A“ auf die B GmbH beauftragt, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger ist. Die steuerliche Beratung erfolgte sowohl für den Kläger als auch für die B GmbH. Die Übertragung sollte zu Buchwerten erfolgen. Als Gegenleistung sollte der Kläger einen Geschäftsanteil im Nennwert von 5.000 € an der GmbH erhalten. Der die Buchwerte um 5.000 € übersteigende Betrag des Nettovermögens sollte dem Kläger als Gesellschafterdarlehen gewährt werden. Die Übertragung sollte handelsrechtlich zum 1.1.2016 stattfinden. Steuerrechtlicher Übertragungsstichtag war der 31.12.2015.

Ab Mai 2017 fand eine Außenprüfung beim Einzelunternehmen des Klägers statt. Ergebnis dieser Prüfung war, dass der für die Buchwertführung erforderliche Antrag bei der aufnehmenden B Gesellschaft nicht rechtzeitig gestellt worden sei. Dem Kläger sei im Veranlagungszeitraum 2015 ein Einbringungsgewinn i.H.v. 60.000 € entstanden, der nach dem gemeinen Wert des eingebrachten Vermögens berechnet und besteuert werden müsse. Außerdem stellte die Finanzverwaltung das steuerliche Einlagenkonto der B GmbH auf den 31.12.2015 auf 0 € fest. Einen Änderungsantrag hat die Beklagte diesbezüglich zunächst nicht gestellt. Ein zu einem späteren Zeitpunkt gestellter Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. rund  31.249 €. Er war der Ansicht, dass er die durchgeführte Umwandlung nicht vorgenommen hätte, wenn diese nicht steuerneutral möglich gewesen wäre. Die geplante Buchwertfortführung sei aufgrund von Beratungsfehlern der Beklagten gescheitert. Ebenfalls fehlerhaft hätte die Beklagte nicht auf eine Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos auf 60.000 € hingewirkt. Die Beklagte behauptete, dass dem Kläger überhaupt kein Schaden entstanden sei.

Das LG hat der Klage weitestgehend stattgegeben.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch i.H.v. 25.191 € aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. einem mündlich geschlossenen Steuerberatervertrag. Dieser Betrag ergab sich aus einer Subtraktion der durch die B GmbH erhaltenen abgezinsten Abschreibungsvorteile bis zum 30.6.2023 i.H.v. 11.686 € von dem aufgezinsten „eigentlichen“ Steuerschaden i.H.v. 36.878,00 €.

Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Vertrag schuldhaft verletzt. Denn das Einzelunternehmen des Klägers wurde entgegen den vertraglichen Vereinbarungen zum gemeinen Wert in die GmbH eingebracht, ohne dass das steuerliche Einlagenkonto auf 60.000 € festgestellt wurde. Eine Buchwertübertragung ist schon daran gescheitert, dass ein Antrag nach § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG in Namen der B GmbH nicht gestellt worden war. Mit ihrem Vortrag, dass ein solcher Antrag auch konkludent gestellt werden könne, konnte die Beklagte nicht überzeugen. Dies ist ersichtlich nicht der Fall gewesen. Denn dann hätten sie diese Frage jedenfalls im Rahmen der Betriebsprüfung mit den Betriebsprüfern erörtern müssen, was ausweislich nicht geschehen ist.

Auch der Umstand, dass das steuerliche Einlagenkonto mit 0 € festgestellt worden war, stellte eine Pflichtverletzung dar. Zwar hätte in diesem Fall der Nennwert der neu ausgegebenen Anteil von >5.000,00 € dem Kläger als Gesellschafterdarlehen gutgeschrieben werden können. In diesem Fall hätte er das Geld steuerfrei entnehmen können, ohne hierauf Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag zu zahlen und somit eine Steuerersparnis i.H.v. 16.200 € realisiert. Dieses Vorgehen entsprach aber nicht der Einigung zwischen den Parteien. Denn eine Gegenbuchung der stillen Reserven als Gesellschafterdarlehen sollte der Vereinbarung zufolge nicht vorgenommen werden. Auch wurde eine solche Verbuchung nicht vorgenommen. Damit aber hätte das steuerliche Einlagenkonto auf 60.000 € festgestellt werden müssen. Dem Kläger ist deshalb ein Schaden entstanden.

Maßgeblich ist dabei nicht nur das persönliche Vermögen des Klägers gewesen, sondern auch das von den gleichen Ereignissen betroffene Vermögen der B GmbH, deren einziger Gesellschafter der Kläger ist. Wirtschaftlich betrachtet stellen das Privatvermögen des Klägers und das Vermögen der B GmbH ein einheitliches Vermögen dar. In die steuerliche Gestaltungsberatung waren im vorliegenden Fall – der Vereinbarung entsprechend – sowohl der Kläger als auch die B GmbH einbezogen. Da deshalb nicht nur die steuerlichen Interessen des Klägers persönlich, sondern entgegen der Ansicht des Klägers auch der Gesellschaft Gegenstand der Beratungsleistung waren, hatte im Umkehrschluss auch die Schadensberechnung unter Berücksichtigung des Vermögens der Gesellschaft zu erfolgen.

Insofern stellen sich Steuermehrbelastungen nicht als wirtschaftlicher Nachteil dar, wenn der Steuerbelastung steuerliche Vorteile bei dem Dritten gegenüberstehen, von denen der vermeintlich Geschädigte spiegelbildlich profitiert (BGH-Urt. v. 1.10.2020 – IX ZR 228/19). Somit lagen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine konsolidierte Schadensbetrachtung vor, was umso mehr gilt, als das steuerliche Einlagenkonto nach § 27 KStG ohnehin nicht den Interessen der Gesellschaft diente, sondern auf den Schutz der Vermögensinteressen des Klägers abzielte.

Es lag eine konkrete und bereits realisierte steuerliche Mehrbelastung des Klägers von 29.736 € vor. Unter Hinzuaddierung des hierdurch erlittenen Zinsschadens ergabt sich als Ausgangspunkt ein Steuerschaden i.H.v. 36.878 €. Demgegenüber bestand auf Ebene der B GmbH – und damit mittelbar für den Kläger als alleinigem Gesellschafter – auch wirtschaftliche Vorteile der erfolgten Gestaltung. Diese sind nach den Grundsätzen der konsolidierten Schadensberechnung mit der steuerlichen Mehrbelastung des Klägers zu saldieren.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2023 15:13
Quelle: Justiz NRW

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