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BGH v. 26.4.2023 - IV ZR 300/22

Verbraucherinformation über Angehörigkeit zum deutschen Sicherungsfonds für die Lebensversicherung

Ein Lebensversicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum musste in der Verbraucherinformation gem. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG a.F.) nicht angeben, dass er dem deutschen Sicherungsfonds für die Lebensversicherung i.S.v. § 124 VAG a.F. nicht angehörte.

Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU, Rückzahlungs- und Nutzungsersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung im Hinblick auf einen fondsgebundenen Kapitallebensversicherungsvertrag (sog. Performancemaster Rente). Der Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde aufgrund eines Antrags des Klägers mit Versicherungsbeginn zum 1.12.2006 und mtl. Prämien von 100 € über einen Zeitraum von 23 Jahren nach dem sog. Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (VVG a.F.) geschlossen. Der Kläger erhielt den Versicherungsschein und die Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" sowie ein Begleitschreiben zugesandt. In der Folgezeit zahlte er die Versicherungsbeiträge. Auf dem Deckblatt der Broschüre befand sich in Fettdruck eine Belehrung über das Widerspruchsrecht, die auszugsweise lautet:

"Als Teil Ihrer Vertragsunterlagen übersenden wir Ihnen anbei die folgenden Dokumente für Ihren Versicherungsvertrag:

  • Verbraucherinformation
  • Versicherungsbedingungen
  • Versicherungsschein

Bei diesen Unterlagen handelt es sich um wichtige Dokumente

Nach § 5a VVG können Sie diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen nach Zugang dieses Schreibens und der beigefügten Unterlagen in Textform i.S.v. § 126b BGB widersprechen (z.B. durch Brief, Fax oder E-Mail). Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
"

Mit Schreiben vom 19.8.2020 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Der Kläger meint, die Widerspruchsfrist nach § 5a VVG a.F. sei wegen formaler und inhaltlicher Mängel der Widerspruchsbelehrung sowie der Unvollständigkeit der Verbraucherinformation nicht in Gang gesetzt worden. Die Verbraucherinformation habe keine Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds) enthalten. Die Verpflichtung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der seinerzeit gültigen Fassung (VAG a.F.) umfasse auch die Mitteilung, keinem Sicherungsfonds anzugehören. Außerdem fehlten die nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil D zum VAG a.F. erforderlichen Angaben über die "für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe". Schließlich fehle es an der Angabe zum Umfang der Leistung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. c) der Anlage Teil D zum VAG a.F.

Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft zur Berechnung des Rückabwicklungsanspruchs über in Abzug gebrachte Kosten, die Höhe der tatsächlich investierten Sparanteile und der regulatorischen Rendite der Beklagten sowie die Feststellung des Nichtzustandekommens des Versicherungsvertrages und der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe der rechtsgrundlos empfangenen Beiträge und damit gezogenen Nutzungen, hilfsweise die Feststellung, dass sich der Lebensversicherungsvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat. Des Weiteren beantragt er auf der zweiten Stufe, die Beklagte insbesondere zur Zahlung in Höhe des sich aus den begehrten Auskünften ergebenden Rückgewährsaldos nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger konnte den Widerspruch im Jahr 2020 nicht mehr wirksam erklären.

Ein fortbestehendes Widerspruchsrecht des Klägers ergibt sich nicht daraus, dass in der ihm von der Beklagten erteilten Verbraucherinformation Angaben über die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds fehlten. Zwar musste die vor Abschluss von Versicherungsverträgen nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. vom Versicherungsunternehmen zu erteilende Verbraucherinformation gem. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. "Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds)" enthalten. Ein Lebensversicherer, der wie die Beklagte bereits vor Vertragsschluss seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hatte, musste aber in der Verbraucherinformation nicht angeben, dass er einem Sicherungsfonds nicht angehörte.

Nach § 124 Abs. 1 VAG a.F. mussten alle Lebensversicherer einem Sicherungsfonds angehören, der dem Schutz der Ansprüche ihrer Versicherungsnehmer, der versicherten Personen, Bezugsberechtigten und sonstiger aus dem Versicherungsvertrag begünstigter Personen diente. Allerdings konnten Lebensversicherer, die - wie die Beklagte - aufgrund einer im EU-/EWR-Ausland erteilten Zulassung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind, weder Pflichtmitglieder des Sicherungsfonds für die Lebensversicherung nach § 124 Abs. 1 VAG a.F. sein noch dem Sicherungsfonds entsprechend § 124 Abs. 2 VAG a.F. freiwillig beitreten. Dementsprechend brauchten solche Lebensversicherer in der Verbraucherinformation nicht anzugeben, dass sie dem Sicherungsfonds i.S.d. § 124 Abs. 1 VAG a.F. nicht angehörten. Eine derartige "negative" Informationspflicht lässt sich nicht aus Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. entnehmen.

Schon der Wortlaut der Bestimmung spricht dagegen, dass der Versicherungsnehmer auch über die fehlende Zugehörigkeit des Versicherers zu einem Sicherungsfonds zu informieren war. Der Versicherer hatte in der Verbraucherinformation nicht etwa mitzuteilen, ob er einem Sicherungsfonds angehörte oder nicht. Vielmehr forderte Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. ausdrücklich nur Angaben über "die Zugehörigkeit" des Versicherers zu einem Sicherungsfonds. Dass einem in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ansässigen Versicherer keine "Negativmitteilung" in Bezug auf den nationalen Sicherungsfonds abverlangt wurde, belegen vor allem die Entstehungsgeschichte und der systematische Zusammenhang der Vorschrift, die der Anlage Teil D Abschnitt I Nr. 1 zum VAG a.F. durch Art. 1 Nr. 33 des Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze vom 15.12.2004 zugleich mit der Verpflichtung zur Einrichtung eines nationalen Sicherungsfonds in den §§ 124 ff. VAG a.F. durch Art. 1 Nr. 27 desselben Gesetzes angefügt wurde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.06.2023 13:45
Quelle: BGH online

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