OLG Frankfurt: Stadt haftet wegen unterlassener Baumkontrolle

Am 11.5.2023 fällte das OLG Frankfurt (1 U 310/20) ein Urteil, das in jeder Boulevard-Zeitung seinen Platz findet: Ein Fiat 500 parkte in dem Wohnbezirk seines Eigners. Ein nicht allzu heftiger Sturm verhedderte sich in der Baumkrone einer am Straßenrand seit langer Zeit stehenden Robinie. Ein schwerer Ast widerstand den Kräften des Windes nicht und auch der Fiat 500 brach unter dessen Gewicht zusammen. Totalschaden. Schadenssumme etwa 6.500 €. Der Eigner meinte, die Stadt sei haftbar. Verletzung der Verkehrssicherungspflicht; keine hinreichende Kontrolle der Baumkrone. Doch die Stadt berief sich auf das Urteil von Fachverbänden und die von ihnen herausgegebenen Richtlinien: Selbst bei einem stärker geschädigten Baum sei eine Kontrolle mit einem Jahresintervall noch „sozialadäquat“ und keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, die ja bekanntlich ein Handlungsunrecht dekretiert, nicht aber als Erfolgsunrecht einzuordnen ist.

Doch Richtlinien geben – so befand das OLG Frankfurt und im Übrigen auch schon das LG – nur Richtwerte wieder, Ausnahmen blieben immer draußen vor. So auch hier: Der vom OLG einbestellte Sachverständige gab zu Protokoll, dass „das äußere Erscheinungsbild der Baumkrone ... mit einer gesunden und vitalen Robinie nicht annähernd vergleichbar war“. Und er fügte an, ein solches – von ihm als „schütter“ bezeichnetes Erscheinungsbild – könne sich nicht erst seit der letzten Kontrolle eingestellt haben, sondern „müsse in ähnlicher und auffälliger Weise schon seinerzeit bestanden haben“. Sodann noch dieser durchschlagende Hinweis: Gerade die Trockenzeit des Jahres 2018 hätte für die Stadt Anlass sein müssen, „in kürzerem Abstand und unter Benutzung eines Hubsteigers oder Einsatz eines Baumkletterers den Kronenbereich besonders zu kontrollieren“, wie das OLG anmerkte und die Stadt für den entstandenen Schaden haftbar machte. Die Revision ist nicht zugelassen.