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BGH: Erstreckung des haftungsrechtlichen Schutzbereichs des Organ- und Anstellungsvertrags eines GmbH-Geschäftsführervertrags auf eine KG

In einer auch für BGHZ bestimmten Leitsatzentscheidung hat der BGH, Urt. v. 14.3.2023 – II ZR 162/21, folgende Leitsätze formuliert, die im Blick auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 343 Abs. 2 GmbHG Neuland betreten:

„1. Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die KG.

2. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die KG, wenn die Geschäftsführung der KG nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.“

Wieder hat ein Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Publikums-KG (Schuldnerin) mit seiner gegen den Geschäftsführer der GmbH (Kommanditistin) gerichteten Haftungsklage über 200.000 € ein kleines Kapitel Rechtsgeschichte geschrieben. Das „Geschäftsmodell“, dem die Schuldnerin sich verschrieben hatte, sah vor, dass sie Anlegergelder als Darlehen anwerben sollte. Diese sollten nach Maßgabe des Prospekts besichert werden, was jedoch nur zu einem sehr geringen Teil tatsächlich geschah. Streitgegenständlich war nun eine Überweisung des Beklagten in seiner Funktion als (weiterer) Geschäftsführer der GmbH i.H.v. 510.000 € an die Schuldnerin, wovon aber nur 200.000 € nach § 43 Abs. 2 GmbHG eingeklagt wurden. LG und OLG hatten der Klage stattgegeben; die Revision des Beklagten blieb erfolglos.

Die Grundaussage des BGH: „Der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet gegenüber der KG gem. § 43 Abs. 2 GmbHG nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie gegenüber der GmbH“ (Rz. 14). Denn die KG ist in den Schutzbereich „des zwischen der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einbezogen.“ Nach Ansicht des BGH sind hier alle dogmatischen Voraussetzungen erfüllt, die für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter einschlägig sind: Wenn die Kommanditisten-GmbH die Geschäfte der KG führt, wirken sich – wegen der Leistungsnähe - haftungsbegründende Fehler „in erster Linie zum Nachteil der KG aus“ (Rz. 15). Das wohlverstandene Interesse der die Geschäfte der KG führenden GmbH geht dahin, dass die handelnden Geschäftsführer ihre Pflichten ordnungsgemäß erledigen (Rz. 16). Vor allem aber ist die geschäftsführende GmbH schutzbedürftig (Rz. 17), weil sich eine Pflichtverletzung immer zu ihrem Nachteil auswirkt.

Haftungsrechtlich ist der Leitsatz 2 i.S.v. § 43 Abs. 2 GmbHG von erheblicher praktischer Bedeutung, weil der BGH bislang die Frage offengelassen hatte, ob denn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch dann schadensersatzpflichtig wird, „wenn die Wahrnehmung der Geschäftsführung nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist“. Nunmehr schließt er sich der h.M. an und bejaht dies, wobei anzumerken ist: Hier war der beklagte Geschäftsführer zugleich in weiteren Gesellschaften als Organ tätig. Doch wirkte sich dies nicht als Privileg aus.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.05.2023 11:09
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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