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OLG Frankfurt: Maßgeblichkeit des Wohnsitzes bei Klageerhebung für örtliche Zuständigkeit

Das OLG Frankfurt, Urt. v. 8.2.2023 – 7 U 66/21, hatte über die Klage eines Versicherungsnehmers zu entscheiden, der bei einer englischen Versicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, in deren AGB folgende Klausel vorgesehen war: „Das Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat oder etabliert ist, ist zuständig, jegliche Streitigkeiten zu entscheiden, die sich möglicherweise aus diesem Vertrag ergeben.“ Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz in Frankfurt; im Zeitpunkt der Klageerhebung war er in der Schweiz ansässig

Es ging bei der Klage, welche der Versicherungsnehmer beim LG Frankfurt/M. anhängig gemacht hatte, um die Rückabwicklung der Lebensversicherung. Das OLG kam im Rahmen der generell-abstrakten Auslegung dieser Klausel zu dem Resultat, dass die AGB nicht eindeutig erkennen lassen, ob damit der Gerichtsstand des Versicherungsnehmers in Frankfurt (Ort des Vertragsabschlusses) oder „nur“ ein ausländischer Gerichtsstand an seinem Wohnsitzgericht – Zeitpunkt der Klageerhebung – gemeint war (§ 305c Abs. 2 BGB). Der Senat stützt seine Ansicht, dass der Wohnort bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss entscheidend ist, zum einen auf die Tatsache, dass die Klausel im Präsens formuliert ist (vgl. „seinen Wohnsitz hat“), zum anderen aber auch auf den Zweck der Regelung. Nach Ansicht des Gerichts soll eine solche Gerichtsstandklausel den Verbraucher schützen, indem gerade auch die Beschwernisse vermieden werden, die mit einem entfernten Gerichtsstand verbunden sind. Zutreffend stellte das Gericht auch darauf ab, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls – hier der Umzug des Klägers in die Schweiz – ohne Belang für die Auslegung sind.

Dennoch bestehen sehr gewichtige Bedenken gegen die Richtigkeit dieses Spruchs. Denn die hier zitierte Gerichtsstandklausel steht in unmittelbarer Verbindung mit einer vorhergehenden, die Folgendes regelt: „Hat der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt der Vertrag deutschem Recht.“ Diese Bonifikation wird nunmehr dem Kläger genommen, weil ja nach Ansicht des OLG Frankfurt die deutschen Gerichte keine international-prozessrechtliche und auch keine örtliche Zuständigkeit haben. Wenn aber der Kläger jetzt in der Schweiz Klage gegen die im UK ansässige Versicherung erhebt, dann ist allein dieser prozessuale Weg – beginnend mit der Zustellung der Klage – bereits beschwerlich und kostenintensiv. Ohne die weiteren AGB zu kennen, spricht aber dann auch alles dafür, dass das angerufene schweizerische Gericht nicht deutsches, sondern englisches Recht deswegen anwenden wird, weil bei einem Lebensversicherungsvertrag der Schwerpunkt im UK liegt und der Versicherer auch die charakteristische Leitung erbringt. Diese vorhersehbare Lösung verdient keineswegs das Etikett „verbraucherfreundlich“.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.03.2023 13:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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