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OVG Rheinland-Pfalz v. 31.1.2023 - 6 B 11175/22

Sperrungsanordnung für unerlaubte Glücksspielangebote im Internet gegenüber Zugangsvermittler rechtswidrig

Für die von der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder gegenüber einem Zugangsvermittler (Access-Provider) angeordnete Sperrung von Internetseiten eines ausländischen Glücksspielanbieters besteht keine Rechtsgrundlage. Eine solche Sperrungsanordnung kann auch nicht auf die Auffangermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 gestützt werden, wonach die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen kann.

Der Sachverhalt:
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Halle (Saale) ist bundesländerübergreifend verantwortlich für die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet und der Werbung dafür. Mit Bescheid vom 13.10.2022 hatte die Behörde gegenüber der Antragstellerin – einer Anbieterin von Telekommunikationsdiensten mit Sitz in Rheinland-Pfalz – u.a. angeboten, bestimmte Internetseiten (Domains) mit Glücksspielangeboten von zwei Lotterieunternehmen mit Sitz in Malta im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von der Antragstellerin in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich sei.

Die Antragstellerin erhob dagegen Klage und suchte zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Das VG lehnte ihren Eilantrag ab. Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden der Antragstellerin und der beigeladenen Glücksspielanbieter änderte das OVG die Entscheidung ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angefochtene Sperrungsanordnung an.

Die Gründe:
Die gegenüber der Antragstellerin getroffene Sperrungsanordnung ist offensichtlich rechtswidrig. Sie kann jedenfalls nicht auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des am 1.7.2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages 2021 – GlüStV 2021 – gestützt werden.

Danach kann die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht zwar nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen i.S.v. §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erwiesen. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Bei der Antragstellerin handelt es sich bereits nicht um einen i.S.v. §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen Diensteanbieter, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob die weiteren Voraussetzungen der Regelung für ein Einschreiten gegen die Antragstellerin gegeben sind. Der Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus dieser Norm selbst bestimme, ohne dabei auf eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz abzustellen, ist nicht zu folgen. Der Wortlaut der Vorschrift lässt diese Auslegung nicht zu.

Ein derartiges Normverständnis wird auch nicht durch die Entstehungsgeschichte oder den Sinn und Zweck der Regelung getragen. Die Antragstellerin ist nach Maßgabe des dargelegten Verständnisses des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kein i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG verantwortlicher Diensteanbieter. Nach der für die Antragstellerin als Zugangsvermittler maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermittelten, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hätten (Nr. 3). Die Antragstellerin erfüllt diese Haftungsausschlussvoraussetzungen. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Die Haftungsprivilegierung findet zwar nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Ein solcher Fall scheidet hier jedoch offenkundig aus.

Die angegriffene Sperrungsanordnung kann letztlich nicht auf die Auffangermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 gestützt werden, wonach die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen kann. Einer Anwendung dieser allgemeinen Auffangermächtigung steht insoweit die spezialgesetzliche Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entgegen, die eine abschließende Regelung für das Ergreifen von Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegen Diensteanbieter enthält.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2023 16:15
Quelle: OVG Rheinland-Pfalz - PM vom 1.2.2023

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