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BGH v. 27.10.2022 - I ZR 141/21

Verjährung der Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch"

Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat und der Vertragsstrafeanspruch damit fällig geworden ist. Es besteht kein Grund, bei dem in Rede stehenden Anspruch die Entstehung i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB und damit den Verjährungsbeginn - abweichend von dem allgemeinen Grundsatz - nicht an die bei Festlegung der Vertragsstrafe eintretende Fälligkeit des Anspruchs, sondern an die Vollendung der Zuwiderhandlung zu knüpfen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Berufsfotograf. Der Beklagte hatte 2013 ein vom Kläger gefertigtes Lichtbild eines Antennenrotors für ein Verkaufsangebot auf der Internet-Handelsplattform eBay verwendet. Auf eine Berechtigungsanfrage des Klägers verpflichtete sich der Beklagte, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Kläger zu bestimmenden, im Streitfall durch das zuständige Gericht zu überprüfenden angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen, das Lichtbild oder Teile hiervon ohne die erforderlichen Rechte im Internet zu veröffentlichen. Allerdings blieb das Bild noch bis Mai 2014 als Produktabbildung in den Verkaufsangeboten des Beklagten auf verschiedenen Länderseiten von eBay abrufbar.

Der Kläger forderte den Beklagten am 22.12.2016 zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.600 € auf. Der Beklagte verweigerte die Annahme des Einschreibens. Der Kläger versandte am 12.12.2017 ein inhaltsgleiches Einschreiben, das der Beklagte nicht abholte, und am 14.12.2017 eine gleichlautende E-Mail. Mit dem Beklagten zugegangenem Schreiben vom 16.10.2019 sowie mit anwaltlichem Schreiben vom 4.11.2019 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.250 € auf. Daraufhin folgte die am 23.12.2019 beim AG eingegangene und dem Beklagten am 23.1.2020 zugestellte Klage. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Entscheidung bestätigt. Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte ein durchsetzbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafe nicht verneint werden.

Zwar ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vertragsstrafe in der Weise vereinbart werden kann, dass dem Gläubiger gem. § 315 Abs. 1 BGB für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung des Schuldners gegen die vertragliche Unterlassungspflicht die Bestimmung der Strafhöhe nach seinem billigen Ermessen überlassen bleibt und diese Bestimmung im Einzelfall nach § 315 Abs. 3 BGB durch ein Gericht überprüft werden kann ("Hamburger Brauch"). In einem solchen Fall bestimmt bei einer Zuwiderhandlung des Schuldners der Gläubiger gem. § 315 Abs. 2 BGB gegenüber dem Schuldner die angemessene Höhe der nach § 339 Satz 2 BGB verwirkten Vertragsstrafe formlos durch eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung. Verweigert der Schuldner unberechtigt die Annahme einer schriftlichen Vertragsstrafenbestimmung seitens des Gläubigers, muss er sich gem. § 242 BGB so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung zugegangen.

Allerdings wandte sich die Revision mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne die Zahlung der vom Kläger verlangten Vertragsstrafe gem. § 214 Abs. 1 BGB verweigern, weil ein möglicher Vertragsstrafeanspruch verjährt sei. Denn die Annahme, die dreijährige Verjährungsfrist habe gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen, hielt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach BGH-Rechtsprechung ist ein Anspruch i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dafür genügt es nicht, dass der Schuldner die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat und der Anspruch daher nach allgemeiner Terminologie entstanden ist. Vielmehr ist darüber hinaus grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs erforderlich, die dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistungsklage verschafft. Erst ab diesem Zeitpunkt kann der Gläubiger gem. § 271 BGB die Leistung verlangen und nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung hemmen.

Nach diesen Grundsätzen ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" nicht vor dem Jahr 2016 i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden. Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" wird - anders als ein Anspruch auf Zahlung einer festen Vertragsstrafe - nicht schon mit der Zuwiderhandlung fällig, sondern erst, wenn der Gläubiger nach § 315 Abs. 1 und 2 BGB sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam konkretisiert hat. Es besteht kein Grund, bei dem in Rede stehenden Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" die Entstehung des Anspruchs i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB und damit den Verjährungsbeginn - abweichend von dem allgemeinen Grundsatz - nicht an die bei Festlegung der Vertragsstrafe eintretende Fälligkeit des Anspruchs, sondern an die Vollendung der Zuwiderhandlung zu knüpfen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.11.2022 10:30
Quelle: BGH online

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