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Gemeinsame Studie von Hengeler Mueller und AdAR: Strategische Themen zurück auf der Agenda deutscher Aufsichtsräte – Nachhaltigkeit im Fokus

21. September 2022

Nach Jahren der Pandemiebewältigung richten die Aufsichtsräte deutscher Unternehmen ihre Arbeit wieder stärker auf die Strategie aus. Das geht aus der diesjährigen Aufsichtsratsstudie des Arbeitskreises Deutscher Aufsichtsrat (AdAR e.V.) und Hengeler Mueller hervor, die heute beim 11. Frankfurter Aufsichtsratstag vorgestellt wurde.

Danach ist zwar das Geschehen in der Ukraine und dessen Auswirkungen auch in den Aufsichtsräten präsent (81 Prozent Zustimmung). Mindestens ebenso große Relevanz räumen die Aufsichtsräte aber wieder der Aufstellung des Unternehmens für die Zukunft ein. Mit 86 Prozent erachten die meisten befragten Aufsichtsräte Digitalisierung bzw. die digitale Transformation als zentral. Eine hohe Dynamik hat zudem das Themenfeld ESG und Nachhaltigkeitstransformation. Nach 64 Prozent im Vorjahr erachten inzwischen 80 Prozent der befragen Aufsichtsräte dieses als relevant. Die Aufarbeitung der Folgen der Covid-19-Pandemie ist dagegen etwas in den Hintergrund gerückt, auch wenn sie sich nach wie vor auch in den Lieferketten niederschlägt. Nachdem sie die Aufsichtsratsagenda im vergangenen Jahr klar bestimmt hat (Zustimmungsrate von 91 Prozent), rangiert sie in der Prioritätenliste der Befragten aktuell nur noch bei 75 Prozent Zustimmung.

"Die Gleichzeitigkeit von permanenter Krisenbewältigung, Aufbau von Resilienz und Arbeit an der Zukunft des Unternehmens wird Aufsichtsräte auch künftig fordern", sagt Dr. Daniela Favoccia, Partnerin bei Hengeler Mueller und Co-Autorin der Studie. "Schließlich sind künftige Krisenthemen wie die Einstellung auf ein zunehmend rezessives wirtschaftliches Umfeld und der Umgang mit einer Verknappung der Versorgung mit konventioneller Energie bereits im Tagesgeschäft angekommen."

Das Gewicht des Themas Nachhaltigkeit äußert sich zunehmend auch organisatorisch in den Aufsichtsgremien und trägt insofern Forderungen nach besonderer Nachhaltigkeitsexpertise Rechnung. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) der Befragten sieht die Expertiseanforderung bei ihren Unternehmen bereits erfüllt, bei den börsennotierten Unternehmen sogar 62 Prozent. Dabei wird Nachhaltigkeitsexpertise auf ganz unterschiedliche Weise adressiert. So sehen die meisten der befragten Aufsichtsräte (76 Prozent) aktuell Weiterbildungen als Mittel der Wahl. 72 Prozent setzen auf Gremienmitglieder mit einem entsprechenden beruflichen Hintergrund, während 63 Prozent Berater hinzuziehen würden. Die Berücksichtigung von ESG-Themen über Nachhaltigkeitsbeauftragte oder -ausschüsse ist dagegen derzeit nicht die Norm. Lediglich 12 Prozent der Befragten gaben an, eine solche Lösung in ihren Aufsichtsräten gefunden zu haben, dabei liegt der Anteil bei börsennotierten Unternehmen mit 22 Prozent jedoch deutlich höher. Die Abbildung von ESG-Themen über das Plenum ist mit 58 Prozent Zustimmung derzeit noch am weitesten verbreitet.

"Wir sehen im Markt eine hohe Dynamik bei der Verankerung der unternehmerischen Schlüsselherausforderung Nachhaltigkeit in den Aufsichtsgremien, auch wenn sich dies aktuell noch nicht in den Zahlen unserer Studie niederschlägt", sagt Prof. Dr. Stefan Siepelt, Geschäftsführender Vorstand des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat (AdAR) und Co-Autor der Studie. "Für die effektive Kontrolle und Beratung der Geschäftsleitung im Unternehmensinteresse ist der Aufbau fachlicher Expertise in den Aufsichtsräten essenziell."

Weitere Ergebnisse der Studie:

Die befragten Aufsichtsräte sind mit ihrer Ressourcenausstattung für ihre Arbeit überwiegend zufrieden. Personelle Ressourcen genießen die größten Zustimmungswerte (75 Prozent), gefolgt von der finanziellen Ausstattung (73 Prozent).

Bei der Abbildung rechtlich geforderter Finanzexpertise im Aufsichtsrat setzen die meisten Aufsichtsgremien auf vorhandene CFO-Erfahrung (79 Prozent Zustimmung), Fortbildungen (65 Prozent) und die Tätigkeit oder einen Abschluss als Wirtschaftsprüfer (66 Prozent).

Neben dem Kompetenzprofil möglicher Kandidatinnen und Kandidaten spielen bei der Aufsichtsratsbesetzung aus Sicht der Befragten vor allem Persönlichkeit (92 Prozent Zustimmung), Teamfähigkeit (76 Prozent), interkulturelle Kompetenz (67 Prozent) und Internationalität (49 Prozent) eine Rolle.

Die Vorstandsnachfolgeplanung ist bei 74 Prozent der Befragten relevanter Teil der Aufsichtsratsarbeit. Dabei werden in den meisten Fällen Aufsichtsratsvorsitzende (61 Prozent) und der Personalausschuss oder ein vergleichbarer Ausschuss (55 Prozent) involviert, die Personalabteilung der Unternehmen spielt eine untergeordnete Rolle (19 Prozent).

Der Fachkräftemangel ist inzwischen auch auf Ebene der Führungskräfte angekommen. Sieben von zehn befragten Aufsichtsräten (69 Prozent) konstatieren einen Mangel an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten oder bezeichnen die Größe des Nachfolgepools (71 Prozent) als zentrale Herausforderung der Nachfolgeplanung. Führungskräfteentwicklung spielt daher eine entscheidende Bedeutung im Kontext der Nachfolgeplanung (82 Prozent Zustimmung).
Alle Ergebnisse der Studie können unter www.hengeler.com/de/aufsichtsratsstudie-2022 abgerufen werden.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.09.2022 08:27

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