Logo Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

BGH v. 24.4.2022 - I ZR 16/21

Auslegung des Designs eines Kombinationserzeugnisses: Aus mehreren Gegenständen zusammengesetzter Schutzgegenstand

Die Auslegung eines Designs kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstands außer Betracht bleiben müssen und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht. Das gilt auch dann, wenn eine Darstellung Elemente enthält, die auf den anderen Darstellungen nicht zu sehen sind, so dass das in den anderen Darstellungen zu sehende Erzeugnis vollständig in der einen Darstellung enthalten ist. Die Auslegung eines Designs kann ergeben, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis - ein sog. Kombinationserzeugnis - bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Inhaber des eingetragenen Designs DE 40703405-0001, für dessen Wiedergabe drei Darstellungen im Register hinterlegt sind. Darauf ist ein Schneidebrett mit darunter herausschiebbarer Auffangschale abgebildet. Als Erzeugnis ist "Schneidebretter" eingetragen. Eine Beschreibung zur Erläuterung der Wiedergabe oder ein Warenklassenverzeichnis hat der Kläger nicht zum Register eingereicht.

Die Beklagte vertreibt über ihre Internetseite ebenfalls ein Schneidebrett mit Auffangschale. Der Kläger nahm die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung wegen Verletzung seines Designs auf Unterlassung in Anspruch und machte Folgeansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung seiner Abmahnkosten i.H.v. rd. 1.000 € nebst Zinsen geltend. Die Beklagte beantragte widerklagend, das Design für nichtig zu erklären und den Kläger zur Zahlung von rd. 1.000 € nebst Zinsen wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung zu verurteilen.

Das LG gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Widerklage erklärte es das Design für nichtig und wies die Berufung gegen die Abweisung der Widerklage hinsichtlich des Zahlungsantrags zurück. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die unbeschränkt eingelegte Revision des Klägers ist überwiegend zulässig. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie auch begründet. Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann das Klagedesign nicht für nichtig erklärt und die Klage abgewiesen sowie der Widerklage insoweit stattgegeben werden.

Gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG ist ein eingetragenes Design nichtig, wenn die Erscheinungsform des Erzeugnisses kein Design i.S.d. § 1 Nr. 1 DesignG ist. Nach § 1 Nr. 1 DesignG ist ein Design die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt. Ein Design ist nichtig, wenn in der Anmeldung nicht die Erscheinungsform "eines" Erzeugnisses wiedergegeben wird, weil sich der Gegenstand des Designschutzes in diesem Fall nicht bestimmen lässt. Weichen verschiedene Darstellungen eines Designs voneinander ab und entstehen dadurch Unklarheiten über den Schutzgegenstand, ist der Schutzgegenstand des Designs durch Auslegung zu bestimmen.

Die Auslegung eines Designs kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstands außer Betracht bleiben müssen und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht. Das gilt auch dann, wenn eine Darstellung Elemente enthält, die auf den anderen Darstellungen nicht zu sehen sind, so dass das in den anderen Darstellungen zu sehende Erzeugnis vollständig in der einen Darstellung enthalten ist.

Die Auslegung eines Designs kann auch ergeben, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis - ein sog. Kombinationserzeugnis - bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Die Auslegung kann auch lediglich aufgrund einer dieser Eigenschaften - ggf. unter Einbeziehung weiterer Umstände - zur Annahme eines Kombinationserzeugnisses führen. Maßgeblich ist, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise des betreffenden Sektors aus den Darstellungen und den weiteren aus dem Register ersichtlichen Informationen entnehmen.

Im Fall eines Kombinationserzeugnisses ist ein isolierter Schutz für die Komponenten des Kombinationserzeugnisses - ohne eine gesonderte Anmeldung - ausgeschlossen, weil das Designrecht keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs kennt. Führt die Auslegung nicht zu einem hinreichend klaren Ergebnis und bleibt offen, ob Schutz für einen Einzelgegenstand oder ein Kombinationserzeugnis beansprucht wird, geht die Unklarheit zu Lasten des Anmelders und ist das Design nichtig.

Mehr zum Thema:

  • Beratermodul IPRB – Recht des geistigen Eigentums und der Medien
    Das exklusive Modul für einen gezielten digitalen Zugriff auf sämtliche Inhalte des IPRB
    Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat.
    4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.05.2022 15:08
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite