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Der stationäre Einzelhändler in der Insolvenz – Praxisfragen rund um die angemietete Immobilie (Schmitt, ZIP 2022, 617)

In der Insolvenz eines stationären Einzelhändlers stehen die angemieteten Filialen im Fokus der Betriebsfortführung. An der Schnittstelle zwischen Insolvenzrecht und Mietrecht sind für den Insolvenzpraktiker eine Vielzahl rechtlicher Fallstricke zu beachten. Dieser Beitrag soll die wesentlichen Themen und ihren Umgang aus Sicht der Sanierungspraxis näher greifbar machen – z.B. Mietaussetzungen zur Liquiditätsschonung, die Befriedigung der Vermietersicherheiten, Fragen rund um die Beendigung des Mietverhältnisses und die Sanierung des insolventen Filialisten.


1. Einleitung
2. Mietzahlung

a) Liquiditätsschonung als Reflex der Kündigungssperre gem. § 112
InsO
b) Nebenkosten
c) Werbekostenbeiträge
3. Vermieterpfandrecht
a) Gesicherte Forderungen
b) Sicherungsgegenstände
c) Verwertungsermächtigung im vorläufigen Verfahren
d) Befriedigung des absonderungsberechtigten Vermieters
e) Auswirkungen eines Insolvenzplans
4. Rückbau, Räumung und Herausgabe
5. Mietkaution

a) Behandlung der Mietkaution in der Mieterinsolvenz
b) Behandlung der Mietkaution in der Vermieterinsolvenz
c) Behandlung des Avalkredits in der Mieterinsolvenz
6. Betriebspflicht
7. Sanierungsschritte
8. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse


1. Einleitung

„Über die Corona-Phase hinweg ist es zu einer Pleiteserie unter mittelgroßen deutschen Modeketten im mittleren Preissegment gekommen. Namen wie Hallhuber, Esprit oder Strenesse tauchten plötzlich in den Insolvenzbekanntmachungen auf. Oft habe die Krise nur Schwächen schonungslos aufgedeckt, die bereits zuvor bestanden, meinen Branchenkenner“.

„Einzelhandel hat größten Sanierungsbedarf“.

„Tod im Aufschwung. Die Regierung führt einige Coronahilfen zurück, doch das könnte verfrüht sein. Gerade im Einzelhandel müssen Unternehmen doppelte Lasten stemmen. Es drohen eine Insolvenzwelle und verödende Innenstädte.“

Die Liste solcher Schlagzeilen und Zeitungsartikel ließe sich ohne weiteres fortführen. Dabei darf die Covid-19 Pandemie und ihre Auswirkungen auf Lieferketten, Shoppinggewohnheiten der Kunden und die beschränkten Öffnungsmöglichkeiten im Filialgeschäft nicht als Ursache der Krise des stationären Einzelhandels gesehen werden. Die Pandemie kam allerdings wie ein Brandbeschleuniger hinzu.

In der Insolvenz eines Filialisten spielen die zumeist angemieteten Standorte eine wesentliche Rolle und stehen oft im Zentrum der Sanierung des Unternehmens. Ziel dieses Beitrags ist die Aufarbeitung der wesentlichen Themen bei der Insolvenz eines stationären Einzelhändlers rund um die angemietete Immobilie, um Lösungsansätze für die Sanierungspraxis plastisch herausarbeiten.

2. Mietzahlung
Die Insolvenzschuldnerin schuldet als Mieterin der betreffenden Filialen dem Vermieter gem. § 535 Abs. 2 BGB die Zahlung der vereinbarten Mieten. Hieran ändert eine Krise gem. §§ 17 ff. InsO oder gar ein bereits beantragtes oder eröffnetes Insolvenzverfahren grundsätzlich nichts (vgl. § 108 Abs. 1 InsO).

a) Liquiditätsschonung als Reflex der Kündigungssperre gem. § 112 InsO
Gleichwohl lässt sich zum Zwecke der Masseschonung und damit der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO) im Bereich der Mietzahlungen zeitlich um den Verfahrensbeginn herum Liquidität einsparen, ohne den Bestand des Mietverhältnisses zu gefährden.

In der Insolvenz des Mieters werden die Mieten inkl. Nebenkostenvorauszahlungen in gewerblichen Mietverhältnissen i.d.R. zzgl. Umsatzsteuer aus der Zeit vor Insolvenzantragstellung und – sofern kein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO bestellt wurde, oder sofern das Insolvenzgericht keinen Global- oder Einzelermächtigungsbeschluss zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Zusammenhang mit den Mieten erlassen hat – im Insolvenzantragsverfahren gem. § 108 Abs. 3 InsO nur als Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO, nach Insolvenzeröffnung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO und im Gegenschluss zu § 108 Abs. 3 InsO als Masseverbindlichkeiten geschuldet. Erfolgt die Verfahrenseröffnung nicht zum Ersten eines Monats, sondern im Laufe eines Monats, sind die Mieten nach h.M. und neuerer Rechtsprechung des BGH Tag genau zeitanteilig abzugrenzen und als Insolvenzforderung bzw. Masseverbindlichkeit geschuldet. Dabei wird nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abgestellt, sondern darauf, ob...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.04.2022 11:42
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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