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BGH v. 25.1.2022 - II ZB 8/21

Keine Fortsetzung der GmbH nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG

Wird eine GmbH durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gem. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des AG Darmstadt eingetragene GmbH mit einem Stammkapital i.H.v. von ursprünglich 50.000 DM. Mit Beschluss vom Februar 2007 wurde ihr Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurückgewiesen. Im April 2007 wurde die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und die Auflösung der Antragstellerin von Amts wegen in das Handelsregister eingetragen.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.5.2020 wurden die Fortsetzung der Gesellschaft, die Verlegung ihres Sitzes und die Änderungen des Unternehmensgegenstands beschlossen. Der mit Beschluss vom selben Tag zum Geschäftsführer bestellte Liquidator und Alleingesellschafter der Antragstellerin meldete am 29.5.2020 die Fortsetzung der Gesellschaft, die Sitzverlegung und die Neufassung des Unternehmensgegenstands sowie seine Bestellung zum Geschäftsführer zur Eintragung im Handelsregister an. Gegenüber dem Handelsregister versicherte er u.a., dass mit der Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen nicht überstiegen und keine wirtschaftliche Neugründung vorliege. Im Februar 2021 erklärte er den Rangrücktritt eines der Gesellschaft gewährten Darlehens i.H.v. rd. 2,9 Mio. € und er überwies im April 2021 der Gesellschaft 25.000 € mit dem Verwendungszweck "Einzahlung Stammkapital".

Das AG - Registergericht - wies den Eintragungsantrag zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb vor dem OLG ebenso ohne Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Die Antragstellerin konnte nach Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, nicht durch Gesellschafterbeschluss fortgesetzt werden. Wird eine GmbH durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gem. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden.

Eine Fortsetzung ist gesetzlich in § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht vorgesehen. Gesellschaften, die nicht einmal mehr die finanziellen Mittel zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens besitzen, sollen im öffentlichen Interesse nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst rasch beendet werden. Der BGH hat noch zum Konkursrecht ausgeführt, dass eine KG auf Aktien und eine AG durch einfachen Fortsetzungsbeschluss und Zuführung neuer Mittel ohne die Kontrolle eines förmlichen Gründungsvertrags nicht in die Lage versetzt werden können, wieder am Geschäftsverkehr teilzunehmen. Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich mit Inkrafttreten der InsO und der Einführung des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht geändert. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG keine Fortsetzungsmöglichkeit vorgesehen. Nach dieser Vorschrift wird eine GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Wird jedoch das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen.

An einer Erweiterung der gesetzlich genannten Fortsetzungsmöglichkeiten besteht kein Bedürfnis. Lassen die Beteiligten eine gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Fortsetzung ungenutzt, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortführung der Gesellschaft durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG dient dem Gläubigerschutz und bezweckt, eine Gesellschaft, die nicht einmal über ein Vermögen verfügt, das zur Deckung der Kosten eines Insolvenzverfahrens ausreicht, sofort von der weiteren Teilnahme am Rechtsverkehr auszuschließen.

Aus diesen Gründen kommt es im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde, die in der Literatur teilweise geteilt wird, nicht darauf an, ob alle Auflösungsgründe für die Gesellschaft beseitigt und deren Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel nachhaltig überwunden wurde. Die Zuführung neuer Mittel für die Antragstellerin und die Rangrücktrittserklärung ihres Alleingesellschafters haben die Möglichkeit der Fortführung durch Gesellschafterbeschluss nicht begründet.

Belange der Gesellschafter rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Gesellschafter einer GmbH haben die Möglichkeit, durch rechtzeitige Zuführung von Mitteln zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu eröffnen und die dort vorgesehene gesetzliche Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft zu nutzen. Wenn sie diese Möglichkeit nicht ergreifen, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortsetzung der Gesellschaft durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen.

Mehr zum Thema:

  • Rechtsprechung: BGH vom 10.03.2022, IX ZR 4/21 – Schenkungsanfechtung in der Insolvenz des das Arbeitsentgelt gewährenden Dritten (ZIP 2022, 650)
  • Aufsatz: Gehrlein – Patronatserklärungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (GmbHR 2022, 117)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.04.2022 10:16
Quelle: BGH online

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