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BGH, Beschluss vom 10. Juni 2021 - IX ZB 51/19

Leitsätze des Gerichts:
1. Der vorläufige Insolvenzverwalter befasst sich in erheblichem Umfang mit Vermögensgegenständen, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, wenn er nach dem zeitlichen und sachlichen Maß der Befassung einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft auf die Bearbeitung des Vermögensgegenstandes verwendet und dabei das gewöhnliche Maß an Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters derart überschreitet, dass eine erhebliche Mehrbelastung des vorläufigen Verwalters durch die Befassung mit dem Vermögensgegenstand feststeht. Der erhebliche Umfang der Befassung muss sich dabei gerade auf den Vermögensgegenstand richten, welcher der Berechnungsgrundlage hinzuzurechnen ist. Erforderlich ist ein konkreter Vortrag des vorläufigen Insolvenzverwalters, welche Tätigkeiten er für den Vermögensgegenstand im Einzelfall entfaltet hat.
2. Vereinbart der vorläufige Insolvenzverwalter mit den Grundpfandrechtsgläubigern, die Mieten aus laufenden Mietverhältnissen einzuziehen und an die Grundpfandrechtsgläubiger zu verteilen, liegt darin allein keine Befassung im erheblichen Umfang mit dem Grundstück oder dem Grundpfandrecht.
3. Für die Festsetzung des Gesamtzu- oder Gesamtabschlags ist stets eine Gesamtbetrachtung erforderlich, um eine doppelte Berücksichtigung von Umständen zu vermeiden und sich aus Einzelzuschlägen ergebenden Überschneidungen Rechnung tragen zu können. Der Tatrichter hat die Höhe des Gesamtzu- oder Gesamtabschlags danach zu bemessen, dass der festgestellte Mehr- oder Minderaufwand angesichts der im Einzelfall bestehenden Besonderheiten insgesamt angemessen vergütet wird.
4. Soweit der vorläufige Insolvenzverwalter eine Vergütung für den aus der erheblichen Befassung mit einem Vermögensgegenstand entstandenen Aufwand erhält, weil die Berechnungsgrundlage um den Wert des Aus- oder Absonderungsrechts erhöht worden ist, können solche über die Erhöhung der Berechnungsgrundlage vergütete Tätigkeiten nicht herangezogen werden, um einen Zuschlag zu rechtfertigen.
5. Führt der Insolvenzverwalter das Unternehmen fort, richtet sich die Höhe des Zuschlags nach dem durch die Betriebsfortführung veranlassten zusätzlichen Aufwand; ein Mindestzuschlag (etwa in Höhe von 25 %) besteht nicht.
6. War die Masse groß, kann die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Ver-walter gestellt haben, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten erheblich übersteigt und die Höhe dieses Vermögens in keinem Verhältnis zu dem entfalteten Aufwand steht, etwa weil sich die Insolvenzmasse ohne jegliches Zutun des Insolvenzverwalters ergeben hat. Tätigkeiten, die über einen Zuschlag vergütet werden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden.

(Volltext)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.07.2021 09:35

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