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Aktuell in der ZIP

Haftung des Stiftungsvorstands – auch nach der geplanten Stiftungsrechtsreform herausfordernd (Uffmann, ZIP 2021, 1251)

Nicht nur im Gesellschaftsrecht gehört die Haftung der Leitungsorgane zu einem der Dauerbrenner. Auch im Stiftungsrecht wird seit jeher kontrovers diskutiert, mit welchem Haftungsmodell die Stiftung als „gefährdete Rechtsform“ vor schädigendem Verhalten hinreichend geschützt werden kann, ohne die Stiftungsvorstände bei ihrer Stiftungsgeschäftsführung unter das abschreckende Damoklesschwert einer nicht kalkulierbaren persönlichen Haftung zu stellen. Mit dem geplanten § 84a BGB-RegE stehen nun an mehreren Stellen der organschaftlichen Binnenhaftung Veränderungen bevor: Angefangen von der Einführung eines spezifischen Sorgfaltsmaßstabs, über die Kodifizierung der Business Judgment Rule bis hin zur einseitigen Abdingbarkeit des § 31a BGB sowie der Einführung des Konzepts der Errichtungssatzung für Haftungsbeschränkungen. Und wie so häufig werfen die Neuerungen zahlreiche, teils grundlegende Folgefragen auf.


I. Zur Einstimmung

1. Reform des Stiftungszivilrechts auf der Zielgeraden!?

2. Haftungssystem des § 84a BGB-RegE – Bunter Strauß an grundlegenden Folgefragen

II. Haftung des Stiftungsvorstands de lege lata – Überblick und Grundsatzprobleme

1. Haftungssystem und Haftungsszenarien

2. Strukturelles Kontroll- und Durchsetzungsdefizit – Stiftung als „gefährdete Rechtsform“?

3. Fluch und Segen der Gemeinnützigkeit

4. Privilegierung der „Ehrenamtlichkeit“ – aber wie?

III. Analyse der Binnenhaftungsregelungen des Regierungsentwurfs

1. Verschärfung der Sorgfaltspflicht durch § 84a Abs. 2 Satz 1 BGB-RegE?

1.1 Ausgangslage

1.2 Geschäftsleitertätigkeit als per se verschärfender Aspekt?

1.3 Unentgeltliche Stiftungsgeschäftsführung als konkretisierender Aspekt

2. Kodifikation der Business Judgment Rule in § 84a II 2 BGB-RegE – das Herzstück!?

2.1 Handeln unter Unsicherheit auch beim Stiftungsvorstand

2.2 Haftungsfreier Hafen wegen deutungsoffener Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin im Nebel

2.3 Kombination mit § 31a BGB – Überprivilegierung oder gerade das Gegenteil?

3. Abdingbarkeit des gesetzlichen Haftungssystems – weiter und enger

3.1 Das Konzept der Errichtungssatzung – wie umgehen mit Altfällen

3.2 „Haftungsbeschränkung“ i. S. d. § 84a Abs. 1 Satz 3 BGB-RegE – D&O-Versicherung und Entlastung mitumfasst?

IV. Ergebnisse in Thesen


I. Zur Einstimmung

1. Reform des Stiftungszivilrechts auf der Zielgeraden!?


Der Langstreckenlauf zur Reform des Stiftungszivilrechts, der 2014 mit der Einsetzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ seinen Startschuss erhalten hatte, befindet sich auf der lang ersehnten Zielgeraden: Nachdem das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) am 28. 9. 2020 einen Referentenentwurf zur Diskussion gestellt hatte, liegt seit 3. 2. 2021 der Regierungsentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts vor, der noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll: Beendigung der Rechtszersplitterung zwischen Bundes- und Landesrecht durch abschließende Regelung des Stiftungszivilrechts in den §§ 80 ff. BGB, Einführung eines (durch das Bundesamt für Justiz zu führenden) Stiftungsrechtsregisters mit Publizitätswirkung sowie Herbeiführung von Rechtssicherheit durch klare Normierung teils umstrittener Rechtsfragen lauten die Kernanliegen des Gesetzgebers.

Trotz Zustimmung hierzu haben der Referentenentwurf sowie der darauf aufsetzende Regierungsentwurf seitens der Praxis und Wissenschaft – teils vehemente – Kritik erfahren. Überraschend war das nicht. Denn der Gesetzgeber präferiert entsprechend der Linie des Diskussionsentwurfs der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus 2018 eine „kleine Lösung“. Das materielle Organisationsrecht der rechtsfähigen Stiftung soll unter lediglich moderater Fortentwicklung basierend auf den Landesstiftungsgesetzen sowie der Stiftungspraxis bundeseinheitlich kodifiziert werden. Forderungen nach einem weitergehenden Reformansatz, die sich unter den Stichworten verbesserte Governance und Transparenz sowie Liberalisierung des Stiftungsrechts fassen lassen (z. B. freies Änderungsrecht des Stifters, Stiftung auf Zeit, Actio pro Fundatione) bleiben damit ungehört. In Zeiten eines zunehmenden Rechtsformwettbewerbs (siehe den allerdings zu Recht sehr kritisch rezipierten Reformvorschlag einer GmbH in Verantwortungseigentum) der auch an den nationalen Grenzen nicht Halt macht, lässt sich damit zwar festhalten, dass nach der Reform vor der Reform sein wird. Dennoch ist dieser Reformschritt für die Stiftungsrechtspraxis wichtig, trotz der durchaus berechtigten Kritik an einzelnen Regelungen. Die derzeitige Umsetzungschance sollte daher nicht durch eine ablehnende Fundamentalkritik vertan werden.

2. Haftungssystem des § 84a BGB-RegE – Bunter Strauß an grundlegenden Folgefragen

Blickt man auf die Regelungen zur Organstellung und -haftung in § 84a BGB-RegE, die an unterschiedlichen Stellschrauben des Haftungssystems der Organbinnenhaftung ansetzen, ist das Herzstück – die geplante Kodifizierung der Business Judgment Rule (nachfolgend BJR) in § 84a Abs. 2 Satz 2 BGB-RegE – zu Recht positiv aufgenommen worden.

Bei genauerer Analyse des § 84a BGB-RegE stellen sich dennoch zahlreiche, teils grundlegende dogmatische Fragen mit beträchtlichen praktischen Folgewirkungen. (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.06.2021 16:25
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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