Logo Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

Aktuell in der ZIP

Zum Anlegerschutz beim Delisting – de lege lata/de lege ferenda (Redenius-Hövermann, ZIP 2021, 485)

In jüngerer Vergangenheit häuften sich Fälle umstrittener Delisting-Maßnahmen in der aktienrechtlichen Unternehmenspraxis, die Aktionärsschützer auf den Plan riefen. Der Beitrag stellt die gesetzlichen Regelungen zum Delisting dar, hinterfragt diese kritisch und schlägt abschließend eine Neuregelung betreffend den Aktionärsschutz beim Delisting vor.
 

I.  Einleitung
II.  Von Macrotron zu Frosta

1.  Die Macrotron-Entscheidung und ihre Folgen
2.  Die Frosta-Entscheidung und ihre Folgen
2.1  Die Frosta-Entscheidung
2.2  Reaktionen auf die Frosta-Entscheidung
2.3  Folgen der Frosta-Entscheidung
III.  § 39 Abs. 2 BörsG als Reaktion des Gesetzgebers auf die Frosta-Entscheidung
1.  Reformdiskussionen nach der Frosta-Entscheidung
2.  Neuregelung im Rahmen der Umsetzung der Transparenz-Richtlinie
3.  Reaktionen auf die Neuregelung im § 39 Abs. 2 BörsG
4.  Folgen für die Praxis
IV.  Reformnotwendigkeit als Reaktion auf die Fälle Rocket Internet und Centrotec
1.  Der Fall Rocket Internet
2.  Der Fall Centrotec
3.  Reformgedanken
3.1  Kapitalmarkrechtliche statt gesellschaftsrechtlicher Verortung
3.2  Reform des § 39 BörsG
3.3  Neuregelung des Anwendungsbereichs
3.4  Überprüfungsmöglichkeit des Abfindungsangebots
3.5 Formulierungsvorschläge
V.  Fazit und Ausblick


I.  Einleitung

„Delisting als Egotrip“ titelte die Börsen-Zeitung knapp zwei Wochen nachdem die Rocket Internet SE ihre Pläne zum Widerruf der Börsenzulassung („Delisting“) bekannt gegeben hatte, anlässlich des Pflichtangebots der Gesellschaft zum Rückkauf der Aktien. Das Vorgehen entsprach in den Augen von Aktionärsschützern „legalem Betrug“.

Fakt ist: Das Delisting, das bis 2015 innerhalb von nur 18 Jahren fünf verschiedenen Regelungsregimen unterlag, bleibt ein Zankapfel in der unternehmensrechtlichen Diskussion.

Hierbei werden die Begrifflichkeiten nicht immer strikt voneinander getrennt – zu unterscheiden ist aber zwischen regulärem und kaltem Delisting sowie dem Downlisting. Das reguläre Delisting beschreibt den Zulassungswiderruf nach den börsenrechtlichen Regelungen. Das kalte Delisting beendet die Börsennotierung ebenfalls, jedoch über umwandlungsrechtliche Maßnahmen wie Formwechsel oder Verschmelzung auf ein nicht börsennotiertes Unternehmen. Ein Downlisting liegt vor, wenn ein Unternehmen den regulierten Markt verlässt, ohne die Börsennotierung vollständig aufzugeben und beispielsweise im Freiverkehr börsennotiert bleibt.

Nachdem die Änderungen der Vornahme eines Delisting nach der „Frosta-Entscheidung“ zunächst zu einer „Delisting-Welle“, führten, sind diese seit der Neuregelung des § 39 Abs. 2–6 BörsG zunächst seltener geworden.

Für 2017 sah der Gesetzgeber eine Evaluierung vor, die das Bundesministerium für Finanzen am 29.12.2017 vorgelegt hat. Sie beschränkt sich ohne Angaben zu den ausgewerteten Daten in einem „data book“ auf sieben Delistings aus dem regulierten Markt, die seit Inkrafttreten der Neuregelung erfolgt seien und gelangt zu dem Ergebnis, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Andere empirische Auswertungen gehen von weit mehr Delistings vom regulierten Markt und aus dem Freiverkehr aus. Diese weisen auf weiteren, noch bestehenden Handlungsbedarf hin, etwa mit Verweis darauf, dass § 39 BörsG den Freiverkehr nicht regulieren kann und dort weiterhin der Rechtsstand aus der Frosta-Entscheidung besteht. In jüngerer Vergangenheit nahm die Zahl publizitätsträchtiger Delistings aus dem regulierten Markt wieder zu. Insbesondere die aktuellen Fälle Rocket Internet und Centrotec fanden intensive Aufmerksamkeit.

Der Beitrag setzt sich zum Ziel, die Entwicklung der gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung zum Delisting seit der Jahrtausendwende nachzuzeichnen, die geltenden Regelungen an den Beispielen der Rocket Internet SE und Centrotec SE mit Blick auf den Aktionärsschutz kritisch zu prüfen und darauf aufbauend Reformgedanken zu formulieren.

II.  Von Macrotron zu Frosta

1.  Die Macrotron-Entscheidung und ihre Folgen

2002 entschied der BGH zum ersten Mal über das reguläre Delisting. Anlass war der Rückzug der Macrotron AG von den Wertpapierbörsen Frankfurt und München, an denen das Unternehmen bis dahin notiert war. Die Geschäftsleitung hielt die dadurch verursachten Kosten für nicht mehr angemessen, zumal die Aktien kaum noch gehandelt wurden. Die seltenen Transaktionen, so ihr Argument, könnten zu sprunghaften Kursveränderungen führen. Den Inhabern von Aktien im Streubesitz stellte sie das Abfindungsangebot eines Großaktionärs in Aussicht.

Die Kläger fochten den Delistingbeschluss der Hauptversammlung an. In seiner Grundsatzentscheidung stellte der BGH u. a. fest, dass der Wert und die Verkehrsfähigkeit einer Aktie zwar durch den Eigentumsschutz des Art. 14 GG geschützt, die zugehörigen Schutzinstitute jedoch gesetzlich nicht geregelt seien. Die einzige gesetzlich Regelung zum Entscheidungszeitpunkt war § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG, demzufolge ein Delisting ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.03.2021 10:09
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite