Logo Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

OLG Frankfurt a.M. v. 9.3.2021 - 2 Ws 132/20

Tatvorwürfe im sog. Cum-Ex-Skandal auch als gewerbsmäßigen Bandenbetrug gewertet

Der Sachverhalt im sog. Cum-Ex-Skandal kann neben dem Vorwurf der Steuerhinterziehung auch als Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gewertet werden. Zur Durchführung hatte es einer größeren Anzahl von Personen bedurft, die in einem bestimmten Zeitfenster miteinander verzahnt nach einer vorherigen Absprache konkret aufeinander abgestimmte Finanztransaktionen durchführen mussten.

Der Sachverhalt:
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. hatte gegen den gegenwärtig in der Schweiz befindlichen Angeklagten ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem sog. Cum-Ex-Skandal geführt. Der Angeklagte soll „als spiritus rector ein Betrugssystem entwickelt und umgesetzt“ haben, das als „Cum-/Ex“-Leerverkaufsmodell bekannt wurde. Ziel sei es gewesen, sich eine einmal einbehaltene Steuer zweimal auszahlen zu lassen.

Das LG hat auf die Anklageschrift vom 27.9.2017 hin das Hauptverfahren mit Beschluss vom 10.12.2019 eröffnet und gegen den Angeklagten wegen der Tatvorwürfe am 26.10.2020 einen Haftbefehl erlassen. Der Angeklagte bestreitet die Tatvorwürfe. Die gegen den Erlass des Haftbefehls gerichtete Beschwerde des Angeklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der Senat wertet den Umstand, dass sich der Angeklagte einen Tag nach der Durchsuchung in die Schweiz begeben hatte, als Flucht. Es ist auch davon auszugehen, dass der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Ausbildung gewusst hatte, dass die Schweiz wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefert. Es besteht somit der dringende Tatverdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie der Steuerhinterziehung.

Der Senat hat das sog. Cum-/Ex-System dahingehend zusammengefasst, dass in einem ersten Schritt als Vorbereitung für den von Anfang an geplanten Betrug durch Kombination von im Einzelnen zulässigen Finanzinstrumenten ein tatsächlich existierender Aktienbestand quasi gespiegelt worden war. Dies war geschehen, um scheinbar einbehaltene und damit vermeintlich gezahlte Steuern auf Dividenden vorzutäuschen, mit dem Ziel, darüber eine zweite, tatsächlich unberechtigte Steuerbescheinigung zu erhalten.

In einem zweiten Schritt wurden dann unter Vorlage dieser zweiten insoweit inhaltlich falschen Steuerbescheinigung unter missbräuchlicher Ausnutzung des formalisierten Steuersystems die Finanzbehörden irrtumsbedingt zur Auszahlung der tatsächlich vorher nicht einbehaltenen Steuern zum Nachteil des deutschen Steuerzahlers veranlasst. Alleiniges Ziel war es dabei von Anfang an gewesen, dieses System solange als möglich zu betreiben und dabei so viel wie möglich unberechtigte Steuerzahlungen für die Bande zu erhalten.

Zur Durchführung hatte es einer größeren Anzahl von Personen bedurft, die in einem bestimmten Zeitfenster miteinander verzahnt nach einer vorherigen Absprache konkret aufeinander abgestimmte Finanztransaktionen durchführen mussten. Die erlangten Gelder i.H.v. 113 Mio. € wurden dann nach einer bestimmten, vorher vereinbarten Quote unter den Mitgliedern des vom Senat als Bande gewerteten Zusammenschlusses mit weiteren fünf Angeklagten und einem verstorbenen Mitglied aufgeteilt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.03.2021 17:50
Quelle: OLG Frankfurt a.M. PM vom 12.3.2021

zurück zur vorherigen Seite